Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
Vom Netzwerk:
vielen Frauen Sex, dass ich dir beim besten Willen keine exakte Zahl nennen kann. Ich weiß allerdings noch sehr genau, dass eine Mikrobiologin aus Ghana dabei war, die einen vollkommenen Körper hatte. Als Monika mich verließ, ist mir fast das Herz zerbrochen, deshalb habe ich aus Rache mit ihrer Schwester geschlafen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, denke ich bis heute noch öfters voll Wehmut an Sonja. Sie war meine große Liebe - und im Bett eine Granate. Die konnte einen in den Orbit vögeln.»
    So genau will man es nun auch nicht wissen. Komischerweise ist man ja doch immer wieder selbst auf zurückliegende Beziehungen eifersüchtig. Da kann man sich noch so sehr zur Vernunft ermahnen, aber irgendwie ist die Vorstellung, dass da bereits andere Hände an diesen geliebten Oberschenkeln rumgegrabbelt haben, unerträglich. Genauso wenig möchte man allerdings einen Freund haben, vorausgesetzt, er ist über vierzehn Jahre alt, dessen Körper Neuland ist, das noch nie zuvor betreten wurde. Es ist also eine komplexe und vertrackte Geschichte, und eigentlich sollte man als Frau froh sein, wenn sich der neue Partner an die zwar unbefriedigende, aber letztlich konfliktvermeidende Strategie des Abwiegelns und möglichst zügigen Themawechsels hält. Auch da hat sich Martin an und für sich vorbildlich verhalten. Einige Affären räumte er ein und sprach auch von zwei längeren Beziehungen, von denen die letzte aufgrund verschiedener Lebensentwürfe vor ein paar Monaten auseinander gegangen sei. «Was waren das für verschiedene Lebensentwürfe?», hatte ich mich noch getraut nachzufragen, in der Hoffnung, dass er an ein karrieregeiles Mannweib geraten war, das keine Lust hatte, in Weiß zu heiraten, eine Familie zu gründen und die Kinder dreimal in der Woche zum Reiten zu fahren - eine Lebensform, auf die ich persönlich mich zum Beispiel durchaus einlassen würde. Aber leider war Martin da nicht mehr besonders auskunftswillig. Er murrte etwas von wegen, man hätte sich eben auseinander gelebt, und war dann nicht mehr bereit, das Thema zu vertiefen. Ach, will mich jetzt nicht darüber grämen, die Vergangenheit ruhen lassen und mich ganz mit der nahen Zukunft beschäftigen: Muss die Bluse, die ich heute Abend anziehen will, noch trockenföhnen.

26. APRIL
    Zeit: Sonntagabend
    Stimmung: Ist mir das peinlich!
    Weitere Aussichten: keine
     
    Ich hätte es wissen müssen. Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl. Ich meine, was soll ich bitte schön auf einer Matinee? «Schostakowitsch, selten gespielte Frühwerke, dirigiert von Zsolt Csikszentmihalyi», hatte Martin gesagt, und ich hatte beeindruckt genickt und gemeint, dass ich mir so eine Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen würde. Mir bedeutet klassische Musik gar nicht so viel, aber was mir viel bedeutet, ist, mit Martin einen Sonntagvormittag zu verbringen. Und ob das im Schlachthof ist oder in der Musikhalle, ist mir vollkommen egal. Na ja, gut gefallen hat es mir jedenfalls nicht. Für meinen Geschmack verhält es sich mit moderner klassischer Musik ähnlich wie mit moderner Kunst: Beides ist eine Unverschämtheit. Tut mir Leid, aber ich komme mir einfach komplett dusselig vor, wenn man von mir verlangt, andächtig vor einem Bild zu stehen, das, selbst wenn ich es als Dreijährige gemalt und meiner Mutter zum Muttertag geschenkt hätte, auf direktem Wege in der Tonne gelandet wäre. Ich habe wirklich nichts gegen ein gut gemachtes Gemälde, eine hübsche melodische Sinfonie, aber was ich heute Vormittag in der Musikhalle erleben musste, das sprengte wirklich den Rahmen des Erträglichen. Aber das Schlimmste sollte ja erst noch kommen.
    Wir waren auf dem Weg zum Ausgang. Martin hatte mich erst gar nicht gefragt, wie mir das Konzert gefallen hatte, weil mir eine gewisse Abneigung wohl anzusehen war. Plötzlich stockte Martin, sog hörbar Luft ein und drängte mich in eine andere Richtung. Die Musik hatte an meinen Nerven gezehrt, und dass ich nun auch noch rumgeschubst wurde, behagte mir gar nicht. «Was ist denn bloß los?», fragte ich gereizt. «Da ist jemand, dem ich lieber nicht begegnen möchte.» «Eine Frau?» «Allerdings.»
    Dann brach ein Inferno über uns herein. «Martin, das ist aber eine Überraschung!» Martin blieb so abrupt stehen, als sei eine Raubtierfalle um seinen Knöchel zugeschnappt. Wir drehten uns um, und eine schlanke Frau, etwa Anfang sechzig, kam auf uns zu. Sie trug ein cremefarbenes Kostüm, eine Seidenbluse, dezente Ohrringe und

Weitere Kostenlose Bücher