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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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diesen Gesichtsausdruck wohlhabender Damen, die davon ausgehen, dass immer irgendwas nicht ganz zu ihrer Zufriedenheit ist. Sie ließ sich von Martin rechts und links auf die Wangen küssen, dann warf sie mir einen strengen Blick zu.
    «Du hattest neulich gar nicht erwähnt, dass du zur Matinee gehen wolltest, Martin.»
    «Ich habe mich spontan entschlossen. Außerdem dachte ich, ihr wollt übers Wochenende aufs Land fahren.» «Ach, du weißt ja, wie dein Vater ist, jetzt hat er doch beschlossen, übers Wochenende den
    Kostenvoranschlag für die Lagerhalle durchzurechnen. Ich frage mich wirklich, wozu wir so viele Angestellte haben, wenn er dann doch alles selber macht. Ich stelle mich doch auch nicht in die Küche und nehme dem Personal die Arbeit weg.»
    Martins Mutter bedachte mich erst mit einem milden Lächeln, dann mit einem langen, fragenden Blick. Martin versuchte so zu tun, als sei ich überhaupt nicht da, und erkundigte sich, ob seine Mutter schon konkrete Pläne für die Pfingsttage habe. Keine angenehme Situation für mich, wie man sich vorstellen kann. Ich stand wie ein Trottel neben Martin, lächelte verlegen in den luftleeren Raum und versuchte, mich nicht allzu sehr von der Eleganz und Strenge von Martins Mutter einschüchtern zu lassen. Ich muss schon sagen, so eine Mutter hatte ich noch nie gesehen. Sie sah gar nicht aus wie eine Mutter, sondern eher wie die Vorsitzende eines Vereins für den Erhalt von Tafelsilber. Unglaublich, dass diese Frau ein Kind zur Welt gebracht und sich dabei womöglich auch noch bekleckert hatte.
    Ich erstarrte, als sie sich schließlich direkt an mich wandte: «Und, wie hat Ihnen das Konzert gefallen, Fräulein.?» «Dückers, Elisabeth Dückers», beeilte sich Martin zu sagen, und ich genehmigte mir kurz den Gedanken, dass «Fräulein» genannt zu werden eigentlich noch viel schlimmer ist, als wenn man mit über dreißig noch geduzt wird. Beides eigentlich ein Akt unzulässiger Herabsetzung, dem man selbstbewusst entgegentreten sollte. Ich allerdings fühlte mich einfach nur herabgesetzt. Ehe ich schüchtern antworten konnte, redete Frau Gülpen einfach weiter. Und zwar in Richtung ihres Sohnes. «Dückers? Dann ist sie sicherlich verwandt mit diesem Anwalt von der Kanzlei Dückers & von Reiche? Ich muss sagen, außerordentlich fähige Leute, dezent und effizient. Dein Vater hat die mal beauftragt und war hoch zufrieden.» Ich brachte kein Wort heraus. Das hier war einfach nicht meine Welt, und ich schämte mich dafür, dass ich mich dafür schämte, aus einer ganz anderen Welt zu kommen. Aus einer Welt nämlich, in der die Mütter dicklich sind und meistens Schürzen tragen und in der man dezent und effizient arbeitende Anwälte nur aus den Gerichtsshows im Fernsehen kennt. Martin sagte irgendwas von wegen Touristikbranche und renommierter Reiseveranstalter, aber ich fühlte mich elend und hätte die nächste Frage seiner Mutter an mich beinahe überhört. Mir schoss das Blut ins Gesicht, ich schnappte nach Luft und stotterte: «Äh, nun ja, eine ungewöhnliche Frage, ich, nun, ich würde mich dazu lieber nicht äußern wollen.» «Aber das muss Ihnen doch nicht peinlich sein, obschon es heute ja fast eine Selbstverständlichkeit ist.» Sie verabschiedete sich, und ich war der Ohnmacht nahe. Martin betrachtete mich außerordentlich irritiert: «Was sollte das denn, Elli? Ich finde, da hast du jetzt aber überreagiert. Das war doch eine ganz normale Frage.»
    «Eine ganz normale Frage? Sag mal, spinnst du? Was seid ihr denn für eine perverse Familie?»
    «Jetzt mach aber mal halblang, nur weil du keinen Universitätsabschluss hast, ist das noch kein Grund, die Frage danach als pervers zu empfinden.»
    «Wie, Universitätsabschluss?»
    «Es gibt doch keinen Grund, sich aufzuregen, wenn meine Mutter dich fragt:     Ich starrte Martin an und wollte am liebsten auf der Stelle und für immer und ewig im Erdboden verschwinden. Was für ein unglaublich beschämendes Missverständnis! Grundgütiger, das kommt davon, wenn man auf Fragen antwortet, die man nur halb gehört hat. Ich fiepte kleinlaut: «Ich hatte was anderes verstanden als: Haben Sie mal studiert?» «Was denn?»
    «Ich dachte», flüsterte ich, «deine Mutter hätte gefragt: » Martin brachte mich auf direktem Wege nach Hause.

27. APRIL
     
    Erdal hat sich natürlich kaputtgelacht. Seit zwei Tagen kichert er immer wie Ernie aus der Sesamstraße, wenn er mich

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