Blauer Montag
gegenüber Kindern gewalttätig geworden sind, haben im Gefängnis nichts zu lachen.«
Karlsson schwieg einen Moment. Terry starrte immer noch vor sich hin.
»Aber wenn Sie uns sagen, wo sie ist«, fuhr er fort, »könnte es für Sie ganz anders laufen.«
Sie sagte nach wie vor kein Wort.
»Ihr Mann hat sich aus dem Staub gemacht«, stellte Karlsson fest. »Wir werden ihn zwar bald haben, aber bis dahin bekommen Sie die ganze Wucht des Hasses ab. Ich kann Ihnen einen Ausweg aus diesem Schlamassel anbieten. Allerdings wird dieses Angebot nicht sehr lange bestehen. Wenn Sie uns nicht helfen, werden die Leute erst so richtig wütend werden.«
»Sie brauchen gar nicht erst zu versuchen, mich gegen ihn aufzuwiegeln«, brach Terry plötzlich ihr Schweigen. »Wir haben alles gemeinsam gemacht.«
»Genau darauf verlässt er sich«, entgegnete Karlsson. »Er kommt ungestraft davon, oder versucht es zumindest. Und Sie dürfen das Ganze allein ausbaden.«
»Er kann sich auf mich verlassen«, antwortete Terry. »Das war schon immer so. Ich kann für ihn stark sein.«
»Warum tun Sie das?«, fragte Karlsson in fast schon flehendem Ton. »Die Sache ist gelaufen. Das hat doch gar keinen Sinn mehr.«
Sie zuckte nur mit den Achseln. Karlsson warf Frieda einen frustrierten Blick zu. Dann griff er nach seiner Armbanduhr, schob sie in seine Jackentasche, stand auf und trat neben Frieda. »Was bringt ihr das? Was hat sie noch zu verlieren?«
»Vielleicht ihn«, antwortete Frieda leise. »Darf ich mit ihr reden?«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Frieda ging zu ihr, ließ sich auf dem Stuhl nieder, den Karlsson gerade geräumt hatte, und musterte Terry eindringlich.
Terry wich ihrem Blick nicht aus, sondern reckte trotzig das Kinn vor, als wollte sie Frieda zum Kampf herausfordern.
»Sie haben Matthew das Leben gerettet«, begann Frieda. »Ich sage das nur ungern, und ich glaube auch nicht, dass es Ihnen die Meute da draußen zugute halten wird, aber es stimmt.«
Terry beäugte sie misstrauisch. »Sie versuchen doch nur, sich bei mir einzuschleimen. Sie wollen mich zum Reden bringen.«
»Ich sage nur die Wahrheit. Als ich Sie auf dem Friedhof sah, war mir klar, dass ich Matthew dort finden würde. Hätte ich ihn recht viel später gefunden, wäre er bereits tot gewesen.«
»Und?«
»Er ist nicht gestorben. Das ist doch immerhin ein positiver Aspekt der ganzen Geschichte, oder etwa nicht? Sind Sie deswegen noch einmal zurück auf den Friedhof? Um zu sehen, ob er noch lebt?«
Terry bedachte sie mit einem verächtlichen Blick. »Ich habe dazu nichts zu sagen.«
»Das muss Ihnen ganz schön zu schaffen gemacht haben«, fuhr Frieda fort. »In gewisser Weise wäre es wahrscheinlich leichter gewesen, wenn Sie ihn umgebracht hätten. So aber hatten Sie bestimmt die ganze Zeit sein Bild vor Augen, während Sie hier festgehalten und verhört wurden. Ein kleiner Junge, allein in der Dunkelheit. Deswegen sind Sie noch einmal zum Friedhof zurückgekehrt. Ihr Beweggrund war wohl eine Art … Ich weiß nicht recht, welches Wort das richtige dafür ist. Vielleicht ›Fürsorge‹. Dann haben Sie mich entdeckt und auch gemerkt, dass ich Sie ebenfalls gesehen hatte. Sie sind weggelaufen und haben Dean angerufen. Sein Wohl lag Ihnen ebenfalls am Herzen. Sie wollten nicht, dass ihm etwas passiert. Glauben Sie, Ihr Wohl liegt ihm auch so am Herzen?«
»Es wird Ihnen nicht gelingen, mich gegen ihn aufzuhetzen.«
»Das versuche ich doch gar nicht.«
»Verdammte Lügnerin.«
»Matthew wird es schaffen«, erklärte Frieda. »Ich komme
gerade aus dem Krankenhaus. Vielleicht freuen Sie sich über diese gute Nachricht.«
»Es ist mir völlig egal, wie es ihm geht.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Aber jetzt müssen wir über Kathy reden.«
Terry reagierte mit ihrem üblichen Schulterzucken.
»Und Joanna. Was ist mit Joanna passiert, Terry? Wo liegt sie begraben?«
»Fragen Sie Dean.«
»Das werden wir.«
»Wo bleiben mein Tee und meine Zigarette?«
»Eines würde ich gerne noch von Ihnen wissen: Warum sind Sie zurück nach Hause?«
»Keine Ahnung«, antwortete Terry. »Warum nicht?«
Frieda überlegte einen Moment. »Ich glaube, ich weiß, warum.«
»Ach ja?«
»Nach unserer Begegnung auf dem Friedhof war Ihnen klar, dass wir den Jungen finden würden. Sie haben Dean angerufen. Damit hatten Sie alles getan, was Sie für ihn noch tun konnten. Und dann? Wollten Sie wirklich weg? Ich meine, wirklich? Hätten Sie so leben können?
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