Blauer Montag
Immer auf der Flucht? Unter einem neuen Namen? Ich an Ihrer Stelle hätte es wahrscheinlich genauso gesehen wie Sie. Für mich wäre das auch eine erschreckende Vorstellung. Ich hätte genau wie Sie alles in meiner Macht Stehende für meinen Liebsten getan, dann aber nur noch den Wunsch gehabt, nach Hause zu gehen. Und sei es nur für eine Minute. Ich hätte einfach nur nach Hause gewollt.«
Terry atmete tief durch. Dann zog sie ein zerknülltes altes Taschentuch aus ihrer Jeans, schnäuzte sich laut und warf es anschließend auf den Boden. Trotzig sah sie Frieda an. »Sie werden mich nicht dazu bringen, etwas gegen ihn zu sagen«, erklärte sie. »Ich habe nichts zu sagen.«
»Ich weiß.« Frieda ging zu ihr hinüber und hob das feuchte Taschentuch auf. »Wir wollen doch nicht, dass Sie auch noch wegen Vermüllung öffentlicher Gebäude angezeigt werden. Sie haben auch so schon genug Probleme.«
»Sie können mich mal!«, fauchte Terry.
Frieda und Karlsson verließen den Raum. Karlsson wies zwei Beamtinnen an, zu Terry hineinzugehen und sie nicht aus den Augen zu lassen. Er war gerade im Begriff, noch etwas hinzuzufügen, als ein anderer Detective um die Ecke bog. Der Mann keuchte so heftig, dass er kaum sprechen konnte. »Alan Dekker«, stieß er hervor. »Er hat gerade angerufen. Er hat mit Dean Reeve gesprochen. Er hat sich mit ihm getroffen.«
»Heiliger Strohsack!« Karlsson wandte sich an Frieda. »Wollen Sie mitkommen? Ihm die Hand halten?«
Frieda überlegte einen Moment. »Nein. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
Karlsson konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Ist das nicht interessant genug für Sie?«
»Ich habe wirklich noch etwas zu erledigen.«
»Handelt es sich dabei um Weihnachtseinkäufe oder um etwas, das ich wissen müsste?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Frieda.
Karlsson wartete einen Moment, doch von Frieda kam nichts mehr
»Na dann eben nicht!« Mit diesen Worten stürmte Karlsson davon.
An der Wand standen ein paar Stühle und ein kleiner Tisch. Frieda ließ sich einen Moment nieder und trommelte nachdenklich mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Dann erhob sie sich wieder und ging in die Einsatzzentrale. Am anderen Ende des Raums hörte sie Gelächter und klirrende Gläser. Offenbar betrachteten einige den Fall als abgeschlossen und begannen bereits zu feiern. Frieda wühlte in ihrer Tasche nach einem Notizbuch. Fündig geworden, blätterte sie es durch.
Rasch trat sie an einen Schreibtisch, griff nach einem Telefon und wählte eine Nummer.
»Spreche ich mit Sasha? … Hier ist Frieda … Gott sei Dank habe ich Sie gleich erwischt. Sie müssen mir einen Gefallen tun, und zwar einen richtig großen. Können wir uns kurz treffen? … Ich meine, jetzt sofort. Ich komme bei Ihnen vorbei, egal, wo Sie gerade sind… Großartig. Bis gleich.«
Sie knallte das Telefon auf den Schreibtisch. Auf der anderen Seite des Raums wandte ein junger Detective den Kopf und fragte sich, was diese Ärztin wohl dazu veranlasste, wie eine Bekloppte durch die Einsatzzentrale zu stürmen.
44
K arlsson hatte noch kaum an die Tür geklopft, als sie bereits aufschwang. Vor ihm stand eine kleine, aber kräftig gebaute Frau. Sie trug eine alte Jeans und einen orangeroten Pullover, bei dem sie die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgeschoben hatte. Ihr ungeschminktes Gesicht wirkte müde und ängstlich.
»Carrie Dekker, das hier ist Detective Constable Yvette Long. Ich glaube, Sie und Ihr Mann erwarten uns.«
»Alan ist in der Küche.« Sie zögerte. »Er ist ziemlich durcheinander.«
»Wir müssen ihm trotzdem ein paar Fragen stellen.«
»Darf ich dabei sein?«
»Wenn Sie wollen.«
Karlsson folgte ihr in die Küche.
»Alan«, sagte sie in sanftem Ton. »Sie sind da, Alan.«
Der Mann wirkte in sich zusammengesunken und völlig verstört. Er trug noch seinen schäbigen Dufflecoat und saß in gebeugter Haltung am Küchentisch. Als sie den Raum betraten, hob er den Kopf. Sein Gesicht sah aus, als hätte er stundenlang oder gar tagelang geweint.
»Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen«, wandte Karlsson sich an ihn. »Erzählen Sie uns bitte ganz genau, was passiert ist.«
»Ich habe ihn gebeten, nicht zu gehen«, erklärte Carrie. »Ich wollte nicht, dass er sich selbst in Gefahr bringt.«
»Ich war nicht in Gefahr, das habe ich dir doch gesagt. Wir haben uns an einer belebten Straße getroffen und nur ein paar Minuten miteinander geredet.« Er schluckte. »Es war, als würde ich in
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