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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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über die Dinge zu reden. Manchmal dauerte es Wochen, bis man über dieses Stadium hinaus war. In manchen Fällen kam man nie darüber hinaus.
    »Wie Sie schon sagten, bin ich eine Art Ärztin«, erklärte Frieda, »also beschreiben Sie mir Ihre Symptome.«
    »Es sind die gleichen wie damals.«
    »Wann damals?« Frieda beugte sich ein wenig vor.
    »Wann? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich war noch recht jung, Anfang zwanzig – also müsste es einundzwanzig oder zweiundzwanzig Jahre her sein. Warum?«
    »Wie sind Sie damals damit umgegangen?«
    »Es hat von selbst aufgehört.« Alan zog eine seltsame, ängstliche Grimasse. »Irgendwann.«
    »Demnach hatten Sie gut zwanzig Jahre lang keine derartigen Probleme, und plötzlich geht es wieder los?«
    »Stimmt, ja. Aber das bedeutet nicht notwendigerweise, dass ich eine solche Therapie brauche. Ich glaube, mein Hausarzt hat die Überweisung nur ausgeschrieben, um mich loszuwerden. Meine Theorie ist, dass alle Ärzte ihre Patienten im Grunde so schnell wie möglich wieder loswerden wollen. Und zwar endgültig. Um das zu erreichen, verschreiben sie meistens irgendwelche Pillen, aber wenn das nichts hilft, schicken sie die
Leute zu einem anderen Arzt. In Wirklichkeit wollen sie natürlich nur …«
    Abrupt brach er ab. Einen Moment lang herrschte Schweigen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Frieda.
    Alan drehte langsam den Kopf. »Hören Sie das?«
    »Was?«
    »So eine Art Knirschen«, antwortete er. »Es kommt von dort drüben.« Er deutete auf die Seite des Raums, die dem Fenster gegenüberlag.
    »Wahrscheinlich Baulärm«, meinte Frieda. »Da drüben ist eine Baustelle …«
    Sie runzelte die Stirn. Da knirschte tatsächlich etwas, und zwar nicht auf der anderen Straßenseite, sondern irgendwo im Haus. Nein, nicht irgendwo, sondern ganz in der Nähe. Das Geräusch wurde lauter. Aus dem Knirschen wurde ein Krachen, und plötzlich konnten sie es nicht nur hören, sondern auch fühlen. Es gab eine Art Explosion in der Zimmerdecke, und etwas fiel herunter: Verputz und Holzstücke, hauptsächlich aber ein Mensch. Schwer schlug er auf dem Teppich auf. Geröll rieselte auf ihn herunter. Schlagartig war der ganze Raum erfüllt von hellem Staub. Frieda saß sprachlos da. Das Ganze kam so unerwartet, dass sie gar nicht richtig begriff, was vor sich ging. Sie starrte lediglich auf die betreffende Stelle, als fände direkt vor ihrer Nase ein Theaterspektakel statt. Und sie wartete, was als Nächstes passieren würde.
    In der Zwischenzeit war Alan aufgesprungen und zu der am Boden liegenden Person gelaufen. Frieda fragte sich, ob es sich womöglich um eine Leiche handelte. Wie konnte ein Toter durch ihre Zimmerdecke fallen? Als Alan neben der Gestalt in die Knie ging und sie vorsichtig berührte, begann sie sich zu bewegen. Langsam drehte sich die Person herum, hievte sich auf alle viere und stand dann auf. Es handelte sich um einen Mann. Einen kräftig gebauten, zottelhaarigen Mann, der einen Overall trug. Recht viel mehr war nicht zu erkennen,
weil er mit einer dicken grauen Staubschicht überzogen war. Nur an einer Stelle seines Gesichts, seitlich der einen Augenbraue, klebte kein Staub, denn dort quoll ein wenig Blut hervor, das ihm über den Wangenknochen lief. Verwirrt schaute er erst Alan und dann Frieda an.
    »In welchem Stockwerk bin ich?«, fragte er. Sein Akzent klang osteuropäisch.
    »In welchem Stockwerk?«, wiederholte Frieda. »Im dritten. Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Der Mann blickte durch das Loch nach oben, dann wieder auf Frieda. Er klopfte sich die Arme und den restlichen Körper ab, wodurch er eine Staubwolke auslöste. »Entschuldigen Sie mich einen Moment«, sagte er und eilte aus dem Raum.
    Frieda und Alan sahen sich an. Alan deutete auf den Sessel, von dem er vorhin aufgesprungen war. »Haben Sie etwas dagegen ?«
    »Wogegen?«
    Er zerrte den Sessel unter das Loch und stellte sich darauf. Frieda starrte einen Augenblick zu dem Loch hinauf, durch das soeben Alans Kopf verschwand, dann wanderte ihr Blick zu seinen Füßen und Schuhen auf ihrem Stuhl. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Oben hörte sie ein gedämpftes »Hallo« und andere Worte, die sie jedoch nicht verstand. Dann eine zweite Stimme, die noch weiter entfernt klang. Schließlich stieg Alan wieder herunter.
    »Sieht es nach einer größeren Katastrophe aus?«, fragte Frieda, die inzwischen aufgestanden war und neben ihn trat.
    Alan zog ein Gesicht. »Zum Glück bin ich nicht in der

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