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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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Arbeit.«
    »Arbeiten Sie in der Baubranche?«
    »Nein, im Wohnungsamt. Wenn ich jetzt im Dienst wäre, hätte ich zu der Sache einiges zu sagen.«
    »Ich muss die Decke reparieren lassen. Glauben Sie, das wird schwierig?«

    Alan blickte zu dem Loch hinauf, schüttelte nachdenklich den Kopf und sog dann durch die Zähne laut hörbar Luft ein. »Ich bin jedenfalls froh, dass es nicht meine Decke ist, sondern Ihre«, meinte er. »Was für gottverdammte Idioten! Wenn er sich den Hals gebrochen hätte, wer würde dann dafür bezahlen? Diese verfluchten Polen!«
    »Aus der Ukraine!«, schallte es durch das Loch.
    »Hören Sie?«, rief Frieda hinauf.
    »Was?«, antwortete die Stimme.
    »Haben Sie sich verletzt?«
    »Verletzt ist hauptsächlich Ihre Decke«, warf Alan ein.
    »Ich komme gleich!«, verkündete die Stimme.
    Frieda trat von dem Schutt zurück. »Es tut mir leid«, erklärte sie, »aber ich fürchte, wir müssen die Sitzung abbrechen.«
    »Haben Sie das inszeniert?«, fragte Alan. »Ist das Ihre Art, das Eis zu brechen?«
    »Wir sollten einen neuen Termin vereinbaren. Wenn Sie damit einverstanden sind.«
    Alan blickte zu dem Loch hinauf. »Das Beunruhigende daran ist«, erklärte er, »abgesehen vom ersten Schock, dass es einem zeigt, wie eng wir aufeinandersitzen. Wie Tiere in Käfigen, einer auf dem anderen.«
    Frieda hob die Augenbrauen. »Sie reden mir zu sehr wie ein Psychoanalytiker. Manchmal ist ein Mensch, der durch ein Loch in der Decke fällt, einfach nur ein Mensch, der durch ein Loch in der Decke fällt. Das hat keine tiefere Bedeutung. Es war einfach nur ein Unfall.« Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. Inzwischen hatte sich der Staub etwas gesetzt, und alles war mit einer grauen Schicht überzogen. »Ein besonders ärgerlicher Unfall.«
    Alans Miene wurde ernst. »Ich bin derjenige, der sich entschuldigen sollte. Ich war ein bisschen grob zu Ihnen. Sie können schließlich nichts dafür, dass Ihr Kollege sich so unmöglich benommen hat. Und für meinen Hausarzt können Sie auch
nichts. Es gibt gewisse Dinge, über die ich gerne mit Ihnen reden würde. Gedanken. In meinem Kopf. Vielleicht schaffen Sie es, dass sie verschwinden.«
    »Sie waren nicht grob, jedenfalls nicht sehr. Wir sehen uns dann also am Freitag. Vorausgesetzt, ich habe dieses Chaos bis dahin beseitigt.«
    Nachdem sie Alan hinausgeführt hatte, kehrte sie wie immer an ihren Schreibtisch zurück und begann sich Notizen zu ihrer Sitzung zu machen, auch wenn diese kaum zehn Minuten gedauert hatte. Ein Klopfen an der Tür ließ sie innehalten. Ein Klopfen, nicht die Türklingel, die unten an der Straße angebracht war. Deswegen ging sie davon aus, dass es sich um Alan handelte, doch es war der Mann von oben, immer noch voller Staub.
    »Fünf Minuten«, sagte er.
    »Fünf Minuten? Was soll das heißen?« fragte Frieda.
    »Sie bleiben hier«, antwortete er, »und ich komme in fünf Minuten wieder.«
    Frieda führte zwei Telefonate, um die restlichen Sitzungen des Tages abzusagen. Dann, als sie gerade ihre letzten Notizen machen wollte, klopfte es erneut an der Tür. Es dauerte einen Augenblick, bis sie den Mann wiedererkannte, der vor ihr stand, denn inzwischen war er sauber, roch nach Seife und trug Jeans, T-Shirt und Turnschuhe. Sein dunkelbraunes Haar war ordentlich aus dem Gesicht gekämmt. Er streckte ihr die Hand hin. »Mein Name ist Josef Morozow.«
    Frieda hatte das Gefühl, das alles nur zu träumen. Benommen schüttelte sie ihm die Hand und stellte sich vor. Einen Moment lang rechnete sie fast damit, dass er ihre Hand an die Lippen führen und küssen würde.
    In der anderen Hand hielt er eine Packung Schokokekse. »Mögen Sie Kekse?«
    »Nein, nicht besonders.«
    »Wir müssen reden. Haben Sie Tee da?«

    »Wir müssen definitiv reden.«
    »Dazu brauchen wir Tee. Ich koche Tee für Sie.«
    Frieda hatte so gut wie nichts zu essen oder zu trinken in der kleinen Wohnung, wo sie nur ihre Patienten empfing, aber hin und wieder machte sie sich eine Tasse Tee oder Kaffee. Also führte sie ihn in den Nebenraum und verfolgte, wie er in ihrer Küche herumwerkelte. Da sie ihm erst sagen musste, wo sich alles befand, dauerte es länger, als wenn sie es selbst gemacht hätte. Mit je einer großen Tasse kehrten sie ins Sprechzimmer zurück.
    »Sie hätten sich das Genick brechen können«, stellte Frieda fest. »Fehlt Ihnen wirklich nichts?«
    Er hielt den linken Arm hoch und betrachtete ihn, als gehörte er einer anderen Person.

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