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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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zugeknöpftes Hemd. Frieda hatte den Eindruck, dass er sie erst auf den zweiten Blick erkannte. Er wirkte benommen und verwirrt. Frieda stieg eine Mischung aus Alkoholfahne, Tabak- und Schweißgeruch in die Nase. Spätestens jetzt war ihr klar, dass Reuben mindestens eine Nacht in seinen Klamotten verbracht hatte.
    »Wie spät ist es?«, fragte er.
    »Viertel nach neun«, antwortete Frieda.
    »Morgens oder abends?«
    »Für mich sieht es nach morgens aus.«

    »Ingrid ist weg«, erklärte Reuben.
    »Wo ist sie denn?«
    »Sie hat mich verlassen. Sie hat gesagt, sie kommt nicht zurück. Wo sie hin ist, weiß ich nicht. Das wollte sie mir nicht sagen.«
    »Darf ich reinkommen?«
    »Besser nicht.«
    Frieda schob sich an ihm vorbei. Sie war seit über einem Jahr nicht mehr bei ihm zu Hause gewesen und stellte nun erschrocken fest, wie vernachlässigt alles wirkte. Bereits in der Diele entdeckte sie ein Fenster, das einen Sprung aufwies, und eine lockere Lampenfassung, die so weit von der Zimmerdecke hing, dass die Drähte zu sehen waren. Frieda blickte sich suchend um. Schließlich fischte sie unter einer Zeitung ein Telefon heraus, zog einen Zettel aus der Tasche und wählte die darauf notierte Nummer. Nachdem sie ihr kurzes Gespräch beendet hatte, wandte sie sich wieder Reuben zu.
    »Wo soll das Telefon hin?«
    »Egal«, antwortete er, »ich finde es sowieso nie.«
    »Ich mache dir einen Kaffee.«
    Als Frieda Reubens Küche betrat, schlug ihr ein solcher Gestank entgegen, dass sie die Hand vor den Mund schlagen musste, um nicht zu würgen. Entsetzt betrachtete sie das Chaos aus schmutzigen Tellern, Pfannen, Gläsern und Alubehältern voller Fastfoodreste.
    »Ich habe nicht mit Besuch gerechnet«, erklärte Reuben. Sein Ton klang fast trotzig, wie der eines Kindes, das seine Spielsachen kaputt gemacht hat. »Hier fehlt die Hand einer Frau. Wobei das noch harmlos ist, verglichen mit dem Zustand oben.«
    Der schreckliche Anblick, den die Küche bot, weckte bei Frieda den spontanen Drang, einfach die Flucht zu ergreifen und Reuben seinem Schicksal zu überlassen. Hatte nicht Reuben selbst vor Jahren einmal etwas Derartiges zu ihr gesagt? »Man muss die Leute ihre eigenen Fehler machen lassen. Man
kann sie höchstens im Auge behalten und dafür sorgen, dass sie nicht die Pferde scheu machen oder im Kittchen landen oder außer sich selbst auch noch anderen schaden.« Aber sie brachte es nicht übers Herz. Das komplette Haus aufzuräumen, stand für sie nicht zur Debatte, aber sie beschloss, zumindest eine Art Schneise durch den Dreck zu schlagen. Energisch schob sie Reuben auf einen Stuhl, wo er tatsächlich sitzen blieb, sich verlegen das Gesicht rieb und irgendetwas Unverständliches vor sich hin murmelte. Frieda schaltete den Wasserkocher ein. Über die ganze Küche waren halb oder viertel volle Flaschen verteilt: Whisky, Cinzano Bianco, Wein, Drambuie. Frieda entleerte sie alle ins Spülbecken. Anschließend suchte sie sich einen Müllbeutel und füllte ihn mit den Essensresten. Immerhin bewies deren Existenz, dass Reuben nicht nur getrunken hatte. Frieda stapelte das schmutzige Geschirr im Spülbecken und dann, als dieses voll war, rundherum. Anschließend öffnete sie mehrere Schränke, bis sie schließlich irgendwo ganz weit oben ein vergessenes, noch ungeöffnetes Glas löslichen Kaffee fand. Mit einem Löffelstiel riss Frieda das feste Papier auf, mit dem das Glas versiegelt war. Sie spülte zwei große Becher aus und bereitete für Reuben und sich heißen schwarzen Kaffee zu. Bei seinem Anblick schüttelte Reuben stöhnend den Kopf, aber Frieda hielt ihm den Becher einfach an die Lippen. Er nahm ein paar Schlucke, ehe er erneut aufstöhnte. »Nun habe ich mir die Zunge verbrannt!«
    Frieda ließ trotzdem nicht locker, sondern flößte ihm einen Schluck nach dem anderen ein, bis er die halbe Tasse getrunken hatte.
    »Na, macht es dir Spaß, dich an meinem Unglück zu weiden ?«, fragte Reuben. »So weit ist es mit mir gekommen. Ein solch schlimmes Ende hat es mit Reuben McGill genommen. Oder willst du mir dein Beileid aussprechen? Mir sagen, wie schrecklich leid dir das alles tut? Oder hast du womöglich vor, mir eine Standpauke zu halten?«

    Frieda griff nach ihrer Kaffeetasse, warf einen Blick darauf und stellte sie wieder auf den Tisch. »Eigentlich wollte ich dich um Rat fragen«, erklärte sie.
    »Soll das ein Witz sein?«, entgegnete Reuben. »Sieh dich doch um! Glaubst du wirklich, dass ich in der Lage bin,

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