Blauer Montag
Ermittlungen, die betroffene Schule, die Reaktionen der Gemeinde und die Frage, wie sicher unsere Kinder heutzutage waren.
»Was für ein seltsamer Zufall«, sagte Frieda, als spräche sie mit sich selbst.
Es regnete, sodass sich auf dem Blumenmarkt nicht viele Leute aufhielten. Frieda war froh über den Regen. Sie spürte ihn gern auf ihrem Haar, und sie war dankbar für die menschenleeren Straßen. Zusammen mit Sandy schlenderte sie an Ständen vorbei, die große Blumensträuße und Pflanzen verkauften. Obwohl erst Mitte November war, boten sie schon die ersten Dinge für Weihnachten an: Amaryllisblüten, Stechpalmenzweige, Weihnachtssterne in schönen Keramiktöpfen, Kränze für die Haustüren und sogar Sträuße aus Mistelzweigen. Frieda schenkte all dem keine Beachtung. Sie hasste Weihnachten und auch die Vorweihnachtszeit, die Hektik der Leute beim Einkaufen, den ganzen Tand in den Läden, die weihnachtliche Beleuchtung der Straßen, die viel zu früh angebracht wurde, die Weihnachtslieder, die Tag für Tag aus überheizten Läden schallten, die Flut aus Katalogen, die auf ihrer Türmatte und anschließend sofort in der Mülltonne landeten, und vor allem, dass unablässig der Wert der Familie betont wurde. Für Frieda hatte die Familie keinen Wert. Von ihrer eigenen hielt sie überhaupt nichts, und ihre Familie nichts von ihr. Zwischen ihnen klaffte eine große, unüberwindbare Kluft.
Der Wind zerrte an den Markisen der Stände. Frieda blieb stehen, um einen großen Strauß bronzefarbener Chrysanthemen zu kaufen. Alan Dekker hatte von einem Sohn mit rotem Haar geträumt. Der rothaarige Matthew Faraday war verschwunden. Ein unheimlicher, aber sicher bedeutungsloser
Zufall. Sie steckte ihr Gesicht in die duftende Feuchtigkeit der Blumen und atmete tief ein. Ende der Geschichte.
Trotzdem ging ihr die Sache nicht aus dem Kopf. An diesem Abend – an dem ein heftiger Wind die Deckel von den Mülltonnen wehte und die Straßen entlangscheppern ließ, die Bäume zu seltsamen Formen verbog und die Wolken in dunklen Knäueln am Himmel dahinjagte – erklärte sie Sandy, dass sie eine Weile allein sein wolle, und unternahm einen Spaziergang. Wie sich herausstellte, führte ihr Weg sie nach Islington, vorbei an den vornehmen Häusern und gepflegten Plätzen, hinein in den weniger wohlhabenden Teil. Es dauerte nicht lange, nur so um die fünfzehn Minuten, bis sie schließlich vor dem Teppich aus Blumen stand, der sich bereits vor der Grundschule ausgebreitet hatte, wo Matthew zuletzt gesehen worden war. Zum Teil begannen die Blumen in ihren Zellophanhüllen schon zu welken, sodass Frieda ein süßlicher Hauch von Fäulnis in die Nase stieg.
Wale sind keine Fische. Spinnen haben acht Beine. Schmetterlinge entwickeln sich aus Raupen und Frösche aus Kaulquappen und Kaulquappen aus dem dicken getüpfelten Gelee, das Mrs. Hyde manchmal in einem Marmeladenglas in die Schule mitbrachte. Zwei und zwei macht vier. Zwei und zwei macht vier. Zwei und zwei macht vier. Er wusste nicht, was als Nächstes passierte, er konnte sich nicht erinnern. Mummy wird bestimmt bald kommen. Wenn er die Augen fest zusammenkniff und ganz langsam bis zehn zählte – ein Rhinozeros, zwei Rhinozerosse – und sie dann wieder aufschlug, würde sie da sein.
Er schloss ganz fest die Augen, zählte und schlug sie dann wieder auf. Es war immer noch dunkel. Sie war böse auf ihn, das war der Grund. Sie wollte ihm eine Lektion erteilen, weil er den Schulhof verlassen hatte, ohne dass sie ihn fest an ihrer warmen Hand hielt. Das darfst du niemals tun, hatte sie
gesagt, versprich mir das, Matthew. Er hatte es ihr versprochen. Großes Indianerehrenwort. Er hatte die Süßigkeiten gegessen. Nimm niemals von einem Fremden etwas zu essen an, Matthew. Es war ein Zauber. Zaubertränke konnten einen in etwas anderes verwandeln, so klein machen wie ein Insekt in einer Ecke des Raums, und dann würde Mummy ihn nicht sehen. Womöglich trat sie sogar auf ihn. Oder er hatte ein anderes Gesicht, einen anderen Körper, den Körper eines Raubtiers oder eines Monsters, in dem er feststeckte. Sie würde ihn ansehen und nicht begreifen, dass er es war, Matthew, ihr kleiner Muffin, ihr Honigkuchen. Aber seine Augen wären noch dieselben, nicht wahr? Er würde immer noch mit seinen eigenen Augen aus seinem Körper blicken. Vielleicht musste er auch rufen und schreien, ihr sagen, wer er in Wirklichkeit war, aber sein Mund war zugeklebt, und wenn er weinte, hörte
Weitere Kostenlose Bücher