Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
Vom Netzwerk:
»Ich habe hier und dort ein wenig Bildung aufgeschnappt«, antwortete er. »Das kommt auch bei Polizisten vor.«
    »Ich weiß«, sagte sie, »Sie haben in Oxford Jura studiert. Ich habe mich über Ihren Werdegang informiert.«
    »Ich hoffe, dafür gebührt mir selbst in Ihren Augen ein wenig Respekt.«
    »Ich betreue seit Kurzem einen neuen Patienten. Sein Name ist Alan Dekker. Er ist zweiundvierzig. Er hat sich an mich gewandt, weil er schon seit Längerem unter schweren und immer wiederkehrenden Angstattacken leidet.«
    Karlsson notierte sich den Namen. Alan Dekker. »Hat das mit dem Verschwinden des Jungen zu tun?«

    »Ja«, antwortete sie.
    »Hat der Mann gestanden?«
    »In dem Fall hätte ich die 999 angerufen.«
    »Also?«
    »Alan Dekkers Angst hat damit zu tun, dass er davon träumt, einen Sohn zu haben – oder besser gesagt, keinen zu haben. Seine Fantasien manifestieren sich in einem Traum, in dem es offenbar darum geht, ein Kind zu entführen, und zwar auf eine Art und Weise, die mich sehr an das Verschwinden dieses Jungen erinnert. Und falls Sie mich jetzt darauf hinweisen wollen, dass der Traum womöglich durch die Medienberichte ausgelöst wurde, kann ich das definitiv verneinen. Seine Träume setzten bereits ein, bevor Matthew Faraday verschwand.«
    »Sonst noch was?«, fragte Karlsson.
    »Ich hatte zunächst das Gefühl, dass es sich bei Dekkers Kinderwunsch um eine narzisstische Fantasie handelte. Was bedeutet hätte, dass der Traum nur mit ihm selbst zu tun hat.«
    »Ich weiß, was narzisstisch bedeutet.«
    »Aber dann sah ich zufällig ein Kinderfoto von meinem Patienten, auf dem er eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Matthew Faraday aufwies.«
    Statt sich weiter Notizen zu machen, ließ Karlsson seinen Stift nur noch zwischen zwei Fingern hin und her pendeln. Dann schob er seinen Stuhl zurück. »Das Problem ist, dass wir einerseits nicht über genug Hinweise verfügen. Niemand hat gesehen, wie Matthew entführt wurde. Vielleicht ist er ja gar nicht entführt worden. Vielleicht ist er weggelaufen und hat sich einem Zirkus angeschlossen. Oder er ist in die Kanalisation gefallen. Andererseits haben wir mehr Hilfe, als wir bewältigen können. Allein heute Vormittag haben schon fünf Leute gestanden, ihn entführt zu haben, obwohl es kein Einziger von ihnen wirklich gewesen sein kann. Seit letzte Woche die Fernsehsendung über ihn lief, mussten wir uns mit gut dreißigtausend Anrufen herumschlagen. Er ist in verschiedenen Teilen Großbritanniens
gesehen worden, aber auch in Spanien und Griechenland. Frauen haben ihre Ehemänner, Freunde und Nachbarn verdächtigt. Sein armer Vater ist gestern Abend brutal zusammengeschlagen worden, weil der Boulevardpresse seine Nase nicht gefällt. Ohne dass ich darum gebeten hatte, sind mehrere Experten mit Täterprofilen an mich herangetreten. Demnach haben wir es entweder mit einem Einzelgänger zu tun, der Probleme im Umgang mit anderen hat, oder mit einem Paar oder aber mit einer Bande, die im Internet einen Handel mit Kindern betreibt. Ich habe von einem Medium gehört, dem zufolge Matthew sich in einem abgeschlossenen Raum unter der Erde befindet. Was ungemein hilfreich ist, weil wir ihn dann wenigstens nicht am Piccadilly Circus suchen müssen. Außerdem schreiben mittlerweile ein paar Journalisten, das alles sei nur passiert, weil wir nicht genug Bobbys oder Streifenwagen oder funktionierende Überwachungskameras im Einsatz hatten. Einer vertrat auch die Meinung, die sechziger Jahre seien an all dem schuld.«
    »Die Sechziger?«, fragte Frieda.
    »Diese Erklärung gefällt mir am besten, weil es so ziemlich das Einzige ist, wofür nicht in erster Linie ich verantwortlich bin. Sie werden mir also verzeihen, wenn ich nicht automatisch dankbar dafür bin, dass Sie mir jemanden nennen, der unter Umständen auf eine recht unspezifische Weise mit dem Verbrechen zu tun haben könnte. Es tut mir wirklich außerordentlich leid, Dr. Klein, aber was Sie mir da erzählt haben, klingt für mich nicht recht viel anders, als wenn mir jemand sagt, sein Nachbar halte sich in letzter Zeit auffallend viel in seinem Gartenschuppen auf.«
    »Sie haben recht«, antwortete Frieda, »genau so hätte ich an Ihrer Stelle wahrscheinlich auch reagiert.«
    »Warum haben Sie sich dann überhaupt herbemüht?«
    »Weil ich nicht anders konnte. Nachdem sich der Verdacht erst einmal in meinem Kopf festgesetzt hatte, musste ich ihn einfach loswerden.«

    Karlssons Miene versteinerte sich.

Weitere Kostenlose Bücher