Blauer Montag
angespannt, vermutlich, weil sie mit einer schlechten Nachricht rechnete. Sie war blasser als bei ihrem ersten Gespräch und sah außerdem müde aus. Er fand, dass sie einen unglücklichen Eindruck machte.
»Ja. Mit ihm und mit seiner Frau.«
»Und?«
»Er hat mit dem Verschwinden von Matthew Faraday nichts zu tun.«
Er spürte, wie sie sich entspannte.
»Sind Sie sicher?«
»Matthew ist am Freitag, den dreizehnten November, verschwunden. Ich glaube, Mr. Dekker hatte an diesem Nachmittag einen Termin bei Ihnen.«
Frieda überlegte einen Moment.
»Ja. Bis zehn vor drei.«
»Seine Frau sagt, sie habe sich gleich darauf mit ihm getroffen. Die beiden sind zusammen nach Hause. Kurz nachdem sie dort eintrafen, schaute jemand aus der Nachbarschaft vorbei und blieb auf eine Tasse Tee. Wir haben das überprüft.«
»Dann wäre das ja geklärt.« Frieda biss sich auf die Unterlippe und verkniff sich die Frage, die ihr auf der Zunge brannte.
»Das Ganze war für die beiden ein ziemlicher Schock«, erklärte Karlsson.
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Sie fragen sich vermutlich, was ich zu ihnen gesagt habe.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Ich habe behauptet, wir würden eine Routinebefragung durchführen.«
»Was bedeutet das?«
»Es ist nur so eine Phrase.«
»Ich werde es ihm selbst sagen.«
»Das dachte ich mir.« Karlsson streckte die Beine vor dem Kaminfeuer aus, das inzwischen fröhlich vor sich hin knisterte. Er wünschte sich halb, Frieda würde ihm eine Tasse Tee oder ein Glas Wein anbieten, sodass er eine Weile in diesem Kokon aus schummrig beleuchteter Wärme bleiben konnte, aber sie machte keine Anstalten in diese Richtung. »Er ist ein eigenartiger Typ, nicht? So verspannt. Aber nett. Seine Frau mochte ich auch.«
Frieda zuckte mit den Achseln. Sie hatte keine Lust, über Alan zu reden. Vermutlich hatte sie auch so schon genug Schaden angerichtet. »Es tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe«, bemerkte sie in sachlichem Ton.
»Das braucht Ihnen nicht leidzutun.« Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Träume sind doch laut Freud am tiefgründigsten, wenn sie am verrücktesten scheinen.‹«
»Sie kommen mir mit Freud ?«
»Selbst Polizisten lesen hin und wieder mal ein Buch.«
»Ich halte Träume nicht für tiefgründig. Eigentlich kann ich es nicht ausstehen, wenn die Leute mir ihre Träume erzählen, als handelte es sich dabei um magische Fabeln. Aber in diesem Fall…« Sie brach ab. »Nun ja, ich habe mich getäuscht. Und darüber bin ich froh.«
Karlsson erhob sich, und Frieda folgte seinem Beispiel.
»Ich lasse Sie zurück an Ihre Kochtöpfe.«
»Darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Was denn?«
»Geht es dabei um Joanna Vine?«
Karlsson starrte sie einen Moment verblüfft an, dann wurde sein Blick misstrauisch.
»Sie brauchen gar nicht so überrascht zu schauen. Vor zweiundzwanzig Jahren, darauf sind Sie angesprungen. Ich brauchte nur fünf Minuten im Netz, um es herauszufinden. Dabei bin ich am Computer nicht mal besonders gut.«
»Sie haben recht«, antwortete er. »Irgendwie war das… nun ja, ich weiß auch nicht, ein seltsamer Zufall.«
»Und damit ist die Sache jetzt erledigt?«
»Sieht ganz danach aus.« Er zögerte. »Darf ich Sie auch noch etwas fragen?«
»Schießen Sie los.«
»Wie Sie sicher wissen, leben wir in einem Zeitalter, in dem viele Firmen Aufträge an externe Mitarbeiter vergeben.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen.«
»Sie wissen ja, wie das läuft: Man hat in den Büchern weniger Personal stehen, auch wenn es am Ende mehr kostet. Selbst wir bei der Polizei müssen mit bestimmten Dingen Außenstehende beauftragen.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie mir vielleicht eine zweite Meinung liefern könnten. Natürlich gegen Honorar.«
»Eine zweite Meinung wozu?«
»Könnten Sie sich vorstellen, ein Gespräch mit der großen Schwester von Joanna Vine zu führen? Sie war damals neun und sollte eigentlich auf Joanna aufpassen, als diese verschwand.«
Frieda sah Karlsson nachdenklich an. Er machte einen leicht verlegenen Eindruck. »Warum ich? Sie wissen doch gar nichts über mich, und bestimmt haben Sie für solche Fälle Ihre eigenen Leute.«
»Das stimmt natürlich. Es war nur so eine Idee von mir. Ein Bauchgefühl.«
»Ein Bauchgefühl!« Frieda musste lachen. »Das klingt ja nicht sehr rational.«
»Ist es auch nicht. Und Sie haben recht, ich kenne Sie nicht, aber Sie haben da
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