Blauer Montag
eine Verbindung gesehen …«
»Eine falsche Verbindung, wie sich herausgestellt hat.«
»Tja, das kann passieren.«
»Sie müssen ganz schön verzweifelt sein«, stellte Frieda fest, klang dabei aber nicht unfreundlich.
»In den meisten Fällen läuft alles ganz glatt. Man führt eine Routineermittlung durch und folgt dabei den üblichen Regeln. Man verfügt über Blutspuren, Fingerabdrücke, DNA, Aufzeichnungen aus Überwachungskameras und Zeugen. Die Lösung liegt mehr oder weniger auf der Hand. Hin und wieder aber hat man es mit einem Fall zu tun, auf den sich die üblichen Regeln irgendwie nicht anwenden lassen. Matthew Faraday hat sich einfach in Luft aufgelöst, und es gibt keinerlei Hinweise. Wir haben keinen einzigen Anhaltspunkt. Also müssen wir nehmen, was wir kriegen können – jedes Gerücht, jede Idee, jede mögliche Verbindung mit einem anderen Verbrechen, egal, wie unwahrscheinlich sie auch erscheinen mag.«
»Mir ist trotzdem noch nicht klar, was ich da zuwege bringen sollte, was ein anderer nicht auch könnte.«
»Vermutlich gar nichts. Wie gesagt, es war nur so eine Idee von mir, und wahrscheinlich bekomme ich dafür nur eine auf den Deckel, weil ich öffentliche Gelder verschwende, indem ich die Arbeit unnötigerweise zweimal machen lasse. Aber wer weiß, vielleicht finden Sie ja etwas heraus, das jemand anderer nicht herausfinden würde. Außerdem kommen Sie von außen. Möglicherweise fallen Ihnen Dinge auf, für die wir blind geworden sind, weil wir uns schon so lange und so intensiv damit beschäftigen.«
»Diese Idee, die Sie da hatten …«
»Ja?«
»Wegen der Schwester.«
»Ihre Name ist Rose Teale. Die Mutter hat noch einmal geheiratet.«
»Hat sie etwas gesehen?«
»Angeblich nicht. Aber sie macht den Eindruck, als wäre sie vor lauter Schuldgefühlen wie gelähmt.«
»Ich weiß nicht so recht«, meinte Frieda.
»Sie meinen, Sie wissen nicht so recht, ob Sie helfen können ?«
»Das kommt darauf an, was Sie unter helfen verstehen. Wenn ich Sie so reden höre, würde ich der Frau am liebsten helfen, über ihre Schuldgefühle hinwegzukommen und ihr Leben weiterzuleben. Aber wahrscheinlich wollen Sie eher von mir wissen, ob ich der Meinung bin, dass sie irgendwo in ihrem Gedächtnis eine Erinnerung versteckt hat, die man aufspüren könnte? Ich glaube nicht, dass das Gedächtnis tatsächlich so einfach funktioniert. Jedenfalls ist das nicht mein Ding.«
»Was ist dann Ihr Ding?«
»Den Leuten zu helfen, besser mit ihren Ängsten, Begierden, Neidgefühlen und Sorgen fertig zu werden.«
»Wie wäre es, wenn Sie zur Abwechslung mal mithelfen würden, einen verschwundenen Jungen zu finden?«
»Was ich meinen Patienten bieten kann, ist ein geschützter Raum.«
Karlsson blickte sich um. »Sie haben es hier sehr schön«, bemerkte er. »Ich kann gut verstehen, dass Sie keine Lust haben, diese Oase der Ruhe zu verlassen und sich ins Chaos der Welt zu stürzen.«
»Das Chaos im Kopf eines anderen Menschen ist auch nicht unbedingt ungefährlich, das dürfen Sie mir glauben.«
»Würden Sie trotzdem über meinen Vorschlag nachdenken?«
»Sicher. Aber rechnen Sie nicht damit, von mir zu hören.«
An der Tür sagte er: »Unsere Berufe sind recht ähnlich.«
»Finden Sie?«
»Bei Ihnen geht es genau wie bei mir um Symptome, Anhaltspunkte, lauter solche Dinge.«
»Ich sehe da kaum Parallelen.«
Nachdem er gegangen war, kehrte Frieda in die Küche zurück. Sie teilte den Blumenkohl gerade in einzelne Rosetten auf, wie in Chloës Rezept beschrieben, als es erneut an der Tür klingelte. Sie hielt inne und lauschte. Das war bestimmt nicht noch einmal Karlsson. Olivia konnte es auch nicht sein, denn die klopfte und klingelte immer gleichzeitig oder schrie obendrein auch noch ein energisches Juu-huu durch den Briefschlitz. Während Frieda die Pfanne mit den Zwiebeln von der Platte nahm, ging ihr durch den Kopf, dass sie ohnehin keinen großen Hunger hatte. Im Grunde brauchte sie nur ein paar Cracker mit Käse. Oder gar nichts, nur eine Tasse Tee, und dann ab ins Bett – auch wenn sie wusste, dass sie sowieso nicht schlafen konnte.
Sie öffnete die Tür einen Spalt weit, ließ die Kette aber vorgelegt.
»Wer ist da?«
»Ich bin’s.«
»Wer ist ich?«
»Ich bin’s, Josef.«
»Josef?«
»Mir ist kalt.«
»Was wollen Sie hier?«
»Sehr kalt.«
Friedas erster Impuls war, ihm zu sagen, er solle Leine ziehen, und ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Was fiel ihm
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