Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
können. Und wenn sie in ihrer Firma keine Freundin besaß, dann hat vielleicht Moritz Barkau diese Funktion übernommen. Das passt auch zu ihrer merkwürdigen Anwandlung, die Diätmittel ihm zu überlassen, als sie sie nicht mehr brauchte. Wer würde seinem Liebhaber Diätpülverchen schenken?«
Ein paar von ihnen lachten leise auf. Marlene hatte Moritz Barkau ihre Diätmittel geschenkt und damit einen wichtigen Hinweis darauf gegeben, dass sie ihn als Kumpel betrachtete und nicht als eventuellen Liebhaber. Vorausgesetzt, Marlene Liebig teilte Wohlerts Einstellung zu dieser Thematik. Und natürlich ebenfalls vorausgesetzt, Barkau erzählte ihnen die Wahrheit.
»Warum hat sie das Zeug überhaupt verschenkt? Wusste sie etwa, dass sie so schnell nicht wiederkommen würde?«, fragte Broders in die Runde.
»Das habe ich mich auch gerade gefragt.« Gabler rieb sich das stoppelige Kinn. »Wir haben noch keinen definitiven Anhaltspunkt, ob Marlene Liebig freiwillig verschwunden ist, gezwungenermaßen, geplant oder spontan, ob sie einem Unfall zum Opfer fiel oder einem Verbrechen. Wir wissen es nicht. Und was mich wirklich irritiert, ist die Annahme, dass jemand Marlene Liebigs Diätpulver mit Aconitin versetzt hat. Wer könnte das Gift dort hineingetan haben und vor allem warum?«
»Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob jemand Marlene hätte vergiften wollen. Aber sie hat das Zeug doch angeblich auch mehrmals zu sich genommen und nichts bemerkt. Dann verschenkt sie die Pülverchen an ihren Kollegen Barkau, und der landet mit einer Aconitinvergiftung im Krankenhaus.« Der Hinweis kam von Pia. Was wäre, wenn der Anschlag genau dem gegolten hat, der das Gift zu sich genommen hat?, dachte sie. Das warf gleich ein ganz anderes Licht auf Marlenes Verhalten. Sie fing sich einen warnenden Blick von Gabler ein.
»Aconitin, was ist das überhaupt für ein Zeug?«, fragte Schneekluth nun.
»Ein Pflanzengift, das aus dem Blauen Eisenhut gewonnen wird. Dr. Kinneberg hat mir erzählt, dass das Gift schon in den Sagen des klassischen Altertums auftaucht. Es heißt, Medea hätte Theseus dieses Gift verabreicht ...«, erläuterte Horst-Egon Gabler. Letzteres war auch Pia neu, aber sie kannte sich auch nicht aus in griechischer Mythologie.
»Wir suchen also einen Botaniker, der auch mit den alten Griechen vertraut ist«, bemerkte Broders spöttisch.
»Wir suchen jemanden, der die Absicht hatte, Marlene Liebig und Holger Michaelis zu töten. Bei Michaelis zumindest hatte er oder sie Erfolg«, äußerte sich Michael Gerlach.
»Wir dürfen keine der vielen Möglichkeiten aus den Augen verlieren«, sagte der Leiter scharf. »Nicht einmal, dass Marlene Liebig das Gift selbst unter das Diätpulver gemischt hat, um damit Moritz Barkau zu vergiften.«
»Und wer ist dann in die Wohnung von Moritz Barkau eingebrochen, um die Dosen verschwinden zu lassen?« So leicht ließ sich Gerlach nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
»Das ist es ja. Es ist noch einiges offen. Zum Beispiel auch die Frage, weshalb Frau Liebig die Diät überhaupt abbrechen wollte. Hat Herr Barkau sich dazu geäußert?« Michael Gerlach wandte sich an Pia und Schneekluth.
Schneekluth schüttelte langsam seinen großen Kopf.
»Sie, also Marlene Liebig, hat laut Herrn Barkau lediglich gesagt, dass sie die Diätmittel nicht mehr brauche, und da sie so teuer gewesen seien und sie wisse, dass auch Moritz Barkau Probleme mit dem Gewicht habe, habe sie sie ihm geschenkt«, berichtete Pia ihren Notizen gemäß. »Das war alles, was er dazu gesagt hat. Wir hätten nachfragen müssen. Mist!«
»Vielleicht hatte sie genug abgenommen?«, mutmaßte Gerlach.
»Frauen, die Diäten machen, haben nach eigener Meinung nie genug abgenommen. Und wenn, dann gehen sie davon aus, dass sie irgendwann vielleicht wieder abnehmen müssen. Nein, es muss etwas anderes dahinterstecken«, sagte Wohlert. Pia konnte seine Meinung zwar nicht im Allgemeinen unterstützen, aber im Fall von Marlene konnte er sogar Recht haben.
»Wieso hat sie die teuren Pülverchen an einen Kollegen verschenkt?«
»Was ist, wenn sie schwanger war und deshalb keine Diätmittel mehr schlucken wollte?« Pia glaubte nicht daran, dass Marlenes Mutter das bereits der Polizei gemeldet hatte. Es konnte genauso gut sein, dass diese Schwangerschaft lediglich eine Vermutung von Inge Brinkmann war. Aber zumindest mussten sie bei ihren Überlegungen diese Möglichkeit in Betracht ziehen.
»Aber ja, das wäre vorstellbar!
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