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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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heißt das schon? Hast du eine? Mein Privatleben geht hier niemanden etwas an. Aber zu deiner Beruhigung: Hinnerk Joost ist weder mein Freund noch eine Bettgeschichte. Seit ich weiß, dass er zufällig der Mitbewohner von Moritz Barkau ist, habe ich jedweden Kontakt abgebrochen.«
    »Dein Wort darauf, Pia?«
    Er sprach sie selten direkt mit Vornamen an. Täuschte sie sich, oder war er wirklich besorgt?
    »Ja. Ich sehe ihn nicht mehr. Und nun lass uns rübergehen. Das Ding hier esse ich im Gehen ...«

15. Kapitel
 
    I rgendwelche besonderen Vorkommnisse?«, fragte Gesa Widmann ihre Kollegin beim Betreten der Station. Tia Maria Koeppen zog sich gerade ihre Jacke über und befestigte ihr rechtes Hosenbein sorgfältig mit einer Klammer. Sie fuhr immer mit dem Fahrrad zur Arbeit, ob es stürmte, schneite oder wie heute den ganzen Tag über heftig regnete. »Nichts, Schätzchen. Alles wie gehabt. Du bist spät dran, lass uns schnell Übergabe machen, ich muss los.«
    Tia Maria nahm das Protokollbuch hervor und schlug es auf.
    »Hentschel, nichts. Hameister, nichts, Jürgens auch nichts Besonderes. Bei Frau Messner musst du etwas aufpassen, die hatte einen ziemlich unruhigen Tag heute. Ihre vier Urenkel waren da und haben die halbe Station terrorisiert. Aber ansonsten ...« Sie ließ ihren Zeigefinger die Namen hinabgleiten. »Nichts, nichts, nichts, alle wohlauf.«
    Tia Maria Koeppen zog sich ihre Kapuze über das grau melierte, in steife Wellen gelegte Haar und zwickte Gesa noch einmal freundschaftlich in den Oberarm. »Mach’s gut, lass dich nicht ärgern ...«
    »Einen schönen Feierabend noch«, sagte Gesa und sah ihrer Kollegin nach, die den Gang hinunter entschwand. Tia Maria schwenkte einen kleinen Rucksack in ihrer Hand hin und her, und es war noch ihrer Rückansicht anzusehen, dass sie froh war, das Haus Waldesruh bis zum nächsten Morgen hinter sich zu lassen. Auch Gesa musste ihren Fluchtinstinkt unterdrücken: Sie hatte Nachtschicht!
    Im Pflegeheim herrschte schon tagsüber eine trübsinnige Atmosphäre, besonders an grauen, regnerischen Tagen wie diesem. Wenn Gesa es recht überlegte, fand sie es bei Sonnenschein sogar noch unangenehmer hier. Dann war endgültig klar, für wen die Sonne schien. Jedenfalls nicht für die kranken und senilen Alten, die in ihren engen Zimmern, den mit Haltestangen versehenen Gängen und fantasielosen Aufenthaltsräumen eingesperrt waren. Und das Pflegepersonal war fast genauso gefangen wie die Bewohner. Wenn sie es in der knappen Zeit einmal schafften, einen Patienten im Rollstuhl auf die Terrasse in die Sonne zu schieben, war das fast wie Ostern und Weihnachten zusammen.
    Aber nachts ... nachts war das hier Gesa Widmanns persönliches Horrorkabinett. Ein richtig schlechtes B-Movie, eigens inszeniert, um ihr das Leben zu vergällen. An Furcht stirbt man nicht, hatte ihr mal jemand gesagt.
    Wenn Gesa nachts das Schwesternzimmer verließ, in dem sie immer alle Lampen brennen ließ, bildete sie sich manchmal ein, einen schattenhaften Sensenmann, so ähnlich wie in alten Kirchenbildern dargestellt, in den dunklen Ecken des Hauses hocken zu sehen, der nach seinem nächsten Opfer Ausschau hielt. Und sie war sich sicher, die Patienten sahen ihn auch. Anders jedenfalls konnte sie sich das Stöhnen und Seufzen, die gelegentlichen Aufschreie nicht erklären, die nachts durch das Haus klangen und Gesa hoffen ließen, dass die verdammte Nachtschicht bald beendet sein möge.
    Am liebsten hätte sie nur bei Tage gearbeitet, doch in ihrem Arbeitsvertrag war genau geregelt, dass sie auch Nachtdienste abzuleisten hatte, für die es zudem mehr Geld gab.
    Nach ihrem ersten Kontrollgang über die Station, der noch im Hellen stattgefunden hatte, ließ sich Gesa mit einem Seufzer am Tisch im Schwesternzimmer nieder und holte die Zeitschriften aus der Tasche, die sie sich mitgebracht hatte.
    Erwartungsgemäß würde es eine sehr lange Nacht werden. Die erste Nachtschicht in einem Turnus war immer die schlimmste. Danach gewöhnte sich ihr Körper langsam an den verdrehten Rhythmus, und das Wachbleiben fiel ihr etwas leichter.
    Gesa schlug die Zeitschrift auf und steckte sich einen Karamellbonbon in den Mund. Sie begann, zu blättern und die bunten Fotos zu betrachten. Zum Lesen war sie bereits jetzt zu müde.
    Das Piepen ihrer Armbanduhr weckte sie. Gesa schreckte hoch. Sie war, den Kopf auf den Unterarmen platziert, am Tisch im Schwesternzimmer weggenickt. Unter ihr ein reich bebilderter Artikel

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