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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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aufwacht, und reden mit ihm, damit er ihre Stimmen nicht vergisst. Ab und zu übernimmt die Pastorin Friederike Reemts eine Schicht, weitere Besucher sind nicht erwünscht.
    Janne gewöhnt sich schnell an die neue Umgebung: die Wärme im Krankenzimmer, die Freundlichkeit des Personals, die sterile Sauberkeit, das Weiß. Selbst die Geräusche der Maschinen sind erträglich in ihrer Rhythmik, solange kein Alarm losgeht. Nur das Saugen und Zischen des Beatmungsgeräts jagt ihr gelegentlich Schauer über den Rücken, und zwar immer dann, wenn sie am wenigsten damit rechnet. Aber auch daran kannman sich gewöhnen. Sie steht oft im Treppenhaus und trinkt diesen ölig schimmernden Automatenkaffee, und bisweilen leistet Schwester Marit ihr Gesellschaft.
     
    Nils ist angereist. Er hat angerufen, als er auf der Autobahn war, und holt sie vom Krankenhaus ab. Es tut gut, ihn zu sehen. Sie gehen an den Strand, wo es nach verbrauchtem Sommer riecht wie sonst nur in Ländern, die keinen Herbst kennen. Es ist Mittag und warm. Hochwasser. Schlick trübt die See in Strandnähe ein. Janne würde gern hinausschwimmen ins klare Blau, aber sie hat nichts zum Baden dabei. Sie setzen sich in den Sand, Nils zieht sein T-Shirt aus und sonnt sich mit nacktem Oberkörper. Sie trägt nur ein Sommerkleid.
    Janne mustert ihn mit Zuneigung: sein bis auf die geringfügig zu groß geratene Nase ebenmäßiges Profil, der Gesichtsausdruck um Zuversicht bemüht. Die Sonne hat seine dunkelbraunen Locken aufgehellt, er hat jetzt goldene Engelssträhnen. Janne schmunzelt. Es könnte ein leichter Nachmittag werden. Sie könnten ein Paar im Urlaub sein.
    Nils wendet den Kopf und lächelt sie an. »Du siehst hinreißend aus«, sagt er.
    »Danke, du auch.« Sie weiß, dass ihm das Kleid gefällt: rot mit rosa Blüten. Sie haben es vor Jahren zusammen in New York gekauft, beim Weihnachtsshopping im Village. Er fand es blöd, ein Sommerkleid zu kaufen, während es draußen schneit. »Damit mein Vater nicht nur Weiß sieht, wenn er aufwacht.«
    »Wie nett«, sagt Nils nach einer Pause, und es klingt, als hätte er eine heiße Kartoffel im Mund. Er kann sich nicht verstellen, sie kennen einander zu gut.
    »Du glaubst nicht daran, oder?«
    Er lässt Sand durch seine Finger rieseln.
    »Schon gut. Du brauchst nicht zu antworten«, sagt sie.
    Sie wechseln das Thema, reden über sein Bauprojekt. Er weiß inzwischen wirklich gut über Affen Bescheid. Die Unterhaltung plätschert dahin wie das Meer, und Janne entspannt sich, stellt viele Fragen. Er versucht, sie zum Lachen zu bringen, was meistens gelingt. Bis er den Koffer erwähnt, den er für sie gepackt hat.
    »Ich dachte, du bleibst bestimmt noch eine Zeit lang hier und brauchst ein paar Sachen.«
    »Ich komme nicht mehr zurück.«
    »Ach.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Nicht?«
    »Na ja, jedenfalls nicht auf absehbare Zeit.«
    »Ist ja prima, dass man das auch mal erfährt.«
    »Wann hätte ich mit dir darüber sprechen sollen? Ich hocke pausenlos im Krankenhaus.«
    »Du kannst jederzeit mit mir sprechen. Das Problem ist nur, du tust es nie.«
    Sie streiten und vertragen sich wieder, während das Wasser sich allmählich zurückzieht und das Watt sichtbar wird, worauf Janne fluchtartig den Strand verlässt. Sein Kurzbesuch, eigentlich als Aufmunterung gedacht, hat sie beide traurig gemacht. Am Abend fährt er zurück nach Berlin, wie er per SMS mitteilt.
     
    Streit auch in der Klinik. Viktoria Flecker will, dass ihr Mann nach Hamburg verlegt wird, wo Meinhard als Chirurg praktiziert. Meinhard ist ebenso wie die behandelnden Ärzte gegen eine Verlegung, die aus medizinischer Sicht keinen Sinn ergibt, und Janne pflichtet ihrem Bruder bei, wenngleich sie seine gereizte Reaktion irritiert.
    In der Nacht tritt eine lebensbedrohliche Komplikation auf: Das abgestorbene Gewebe in Paul Fleckers Gehirn ist so stark angeschwollen, dass ein erhöhter Hirndruck entsteht. Die Ärzte erwägen, vorübergehend einen Teil seiner Schädeldecke zu entfernen, um Platz zu schaffen, was Viktoria im Namen ihres Manneskategorisch ablehnt. Janne stimmt ihr zu, Meinhard ist anderer Meinung. Sie diskutieren ohne Ergebnis, eine Patientenverfügung existiert nicht.
    Beim Frühstück in der Cafeteria des Krankenhauses wird Jannes Mutter laut: »Ich halte das nicht länger aus. Ich kann nicht mehr. Und an allem ist dieses Flittchen aus dem Osten schuld. Sie hat unsere Familie zerstört. Nichts ist mir geblieben.« Sie rauft sich das

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