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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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aber seit Jannes Eltern allein leben, beschäftigen sie nur noch eine Putzfrau und einen Gärtner.
    »Schwer zu sagen. Ich müsste viel lernen. Und du, hältst du mich für geeignet?«
    Jannes Mutter zuckt mit den Schultern, ohne von ihren Tomaten aufzusehen. »Ich an Pauls Stelle hätte Meinhard als Nachfolger für Erik eingesetzt, aber ich habe diese Entscheidung nicht zu treffen. Dein Bruder glaubt jedenfalls, du kannst das ebenso gut wie er.« Sie klingt nicht überzeugt.
    »Möglicherweise ist er nur froh, dass Papa nicht ihn gefragt hat. Es wäre dir also lieber, wenn er sich um die Werft kümmern würde?«
    Erneutes Schulterzucken. »Na ja, die Voraussetzungen sind ähnlich.«
    Janne nickt. Genau wie Meinhard hat sie einmal eine Jolle konstruiert und gebaut - im Alter von vierzehn Jahren, auf Anweisung des Vaters. Auch Erik musste mit einer Jolle anfangen, doch bei ihm blieb es nicht dabei. Er war sehr talentiert. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst eine Bootsbauerlehre und anschließendein Ingenieursstudium mit Nebenfach Betriebswirtschaft, während Meinhard und sie eigene Wege einschlugen. Zwar haben sie beide in den Semesterferien gelegentlich auf der Werft gejobbt, aber ob das reicht? Eriks Jolle ist in Serie gegangen, Jannes sank kurz nach der Jungfernfahrt in einem Gewittersturm im Yachthafen. Was aus Meinhards Jolle geworden ist, weiß sie nicht mehr.
    »Meinhard ist ehrgeiziger als du.«
    Janne antwortet nicht.
    »Und Männer in Führungspositionen werden eher akzeptiert, jedenfalls hier auf dem Land in so einer Branche, wo Tradition noch etwas zählt«, fährt Jannes Mutter fort und beschleunigt das Schneidetempo. Die Klinge gleitet sauber durch die Tomaten, es entstehen sehr gleichmäßige Scheiben, etwa einen halben Zentimeter breit.
    »Wer soll eigentlich all diese Tomaten essen?«
    »Es gibt Tomatensalat zum Abendbrot.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Die machen ohnehin nicht satt.« Viktoria Flecker hört auf zu schneiden und reibt sich mit dem Handrücken über beide Augen, das Messer fest umklammert. Sie weint. »Das wollte ich mir eigentlich für die Zwiebeln aufheben ...«
    Janne reicht ihrer Mutter eine Rolle Küchenpapier. Ihre Blicke begegnen sich. Sie haben schon immer Distanz zueinander gebraucht.
    »Danke, Janne. Ist gleich vorbei.« Viktoria Flecker tupft sich die Tränen vom Gesicht und schnäuzt sich.
    Janne wendet sich ab, sieht hinaus in den Garten, wo einzelne Strahlen der Abendsonne sich den Weg durch das Laubgewölbe der Bäume bahnen. Das Grün der Blätter ist dunkel, ohne jede Frische. Ihre Mutter widmet sich weiter dem Salat. Das Messer, die Tomaten und die Zwiebeln, die nun an der Reihe sind, bildenihre letzte Verteidigungslinie vor dem Zusammenbruch. Das Pochen des Messers auf dem Holzbrett hallt wie steter Hammerschlag durch die stillen Räume der Villa.
    Kurz vor dem Abendessen erhält Janne einen Anruf von ihrem Vater. Er wirkt aufgewühlt, spricht hastig und undeutlich, sie versteht ihn kaum. Er will, dass sie erneut zu ihm in die Klinik kommt, allein, so schnell wie möglich und ohne jemandem etwas davon zu sagen - auch nicht ihrer Mutter, wie er betont. Dies gestaltet sich schwierig, da Viktoria Flecker ihren Tomatensalat keinesfalls allein essen will und Meinhard nicht da ist. Sie hat den Tisch im Speisesalon gedeckt. Englisches Porzellan. Außerdem hat sie von Feinkost Schäfer eine Platte mit Meeresfrüchten liefern lassen.
    »Ich habe doch gesagt, dass ich keinen Hunger habe.«
    »Dann iss eben nicht, sondern leiste mir einfach Gesellschaft, und sei es aus Höflichkeit.«
    Janne steht im Türrahmen und fragt sich, ob Feinkost Schäfer so pietätvoll gewesen ist, die Austern wegzulassen. Sie hat sie nie gemocht, vor allem nicht roh. Quallige Häppchen Meer.
    »Ich muss noch mal weg«, sagt sie.
    »Und wohin, bitte?«
    »Einfach raus.«
    »Und das kann keine halbe Stunde warten?«
    »Nein, bitte entschuldige«, antwortet Janne. Sie hat ein schlechtes Gefühl wegen der Heimlichtuerei und verspürt leisen Groll, wenn sie an ihren Vater denkt.
     
    Paul Flecker schläft. Es sieht nicht aus, als wäre es ein erholsamer Schlaf, dafür atmet er zu schnell, beinahe hechelnd. Unter den geschlossenen Lidern sind die Augäpfel in ständiger Bewegung, und seine Finger zucken. Er hängt am Tropf, vermutlich, weil er nicht trinkt, den Tee auf dem Nachttisch ignoriert er konsequent.
    Janne will ihn nicht wecken. Sie setzt sich auf die Bettkante. Abwartend studiert sie sein

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