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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Haar.
    »Mama, nicht so laut«, bittet Janne.
    »Mir doch egal, es soll ruhig jeder hören. Unser guter Ruf ist ohnehin ruiniert, den hat Hella auch auf dem Gewissen. Sie hat ihre Strafe verdient, diese Mörderin. O Gott, wir hätten die Hochzeit verhindern müssen.«
    Die Neugier der Gäste an den umliegenden Tischen ist geweckt, das Stimmengewirr erstirbt. Zu viele Blicke für Jannes Geschmack.
    »Besser, du fährst sie nach Hause«, sagt Meinhard leise.
     
    Gegen Mittag bringt Janne ihre Mutter ins Bett. Das hat sie noch nie getan, und es erfüllt sie mit Wehmut.
    »Willst du etwas einnehmen?«
    Die Schlaftabletten liegen auf dem Nachttisch.
    »Ja, bitte.«
    Janne holt Wasser. Viktoria Flecker nimmt zwei Pillen, ihre Handgriffe wirken routiniert. Janne zieht die Vorhänge zu und beschließt zu warten, bis ihre Mutter eingeschlafen ist. Es dauert nicht lange. Sie lauscht den tiefer werdenden Atemzügen der Frau, die in Embryohaltung auf ihrer Seite des Ehebetts verharrt. Die Decke ihres Mannes liegt ordentlich gefaltet auf seiner Matratze. Der Anblick schmerzt. Trotzdem stellt Janne mit leichter Verwunderung fest, dass sie im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht am Ende ist. Sie kann noch, und sie will auch. Oder besser: Siekann wieder, denn seit Eriks Tod hat sie sich treiben lassen. Das muss sich ändern. Sie hat ihrem Vater versprochen, sich zu kümmern. Aber womit soll sie anfangen?
     
    Janne geht ins Blaufeuer. Sie hat Appetit auf Deftiges, und Johnny Ritschers Frikadellen sind die besten in der Stadt. Auf den Bänken vor der Kneipe sitzen Touristen und trinken in der Nachmittagssonne Alsterwasser. Drinnen im Halbdunkel, wo die Tageszeiten zu einer ausgedehnten Nacht verschmelzen, ist nicht viel Betrieb. Eine Handvoll Krabbenfischer. Johnny spült Biergläser und schimpft auf den Sonnenschein. »Moin«, sagt Janne.
    Johnny und die Männer erwidern den Gruß. »Hungrig?«
    Janne nickt und setzt sich an die Bar.
    »Durstig?«
    Erneutes Nicken.
    Der Wirt bringt Frikadellen und Bier. So groß ihr Appetit war, so gering ist die Freude am Essen und Trinken. Sie würgt beides herunter. Johnny Ritscher beobachtet sie missbilligend, lässt sie aber in Ruhe. Als sie fertig ist, kommt er zu ihr, um sich nach Paul Flecker zu erkundigen.
    »Sieht nicht gut aus im Augenblick.«
    Johnny Ritscher stützt beide Ellenbogen auf den Tresen und beugt sich zu ihr vor. »Hör mal, Janne, ich weiß, dass ihr andere Sorgen habt, aber eure Leute auf der Werft werden langsam unruhig. Die wissen nicht, wie es weitergehen soll.« Er spricht leise, und sein Atem riecht nach Cola-Rum.
    Janne weicht zurück. »Ich weiß. Ich kümmere mich darum.«
    Johnny pfeift durch die Zähne. »Du?«, fragt er mit einem Grinsen.
    »Ganz genau. Oder fühlt sich sonst wer berufen?«
    »Nö.«
    »Dann hol mir noch ein Bier und lass mich in Frieden. Ich muss nachdenken.« »Kommt.«
    Janne trinkt mit stoischer Miene und klopfendem Herzen. Das zweite Bier schien ihr dramaturgisch geschickt. So weit, so gut. Die große Klappe funktioniert. Für alles Weitere braucht sie einen Plan. Sie besinnt sich auf die letzten beiden Gespräche mit ihrem Vater. Vieles, was er gesagt hat, klang wirr.
    Eine Sache beschäftigt sie mehr als alles andere: Er hat auf eine sehr spezielle Weise betont, dass sie seine Tochter sei. Womöglich wollte er ihr damit nur sagen, wie viel sie ihm bedeutet, obgleich sie adoptiert wurde. Oder er hat halbherzig versucht, ihr etwas mitzuteilen, über das viel zu lange geschwiegen wurde ...
    Janne legt einen Geldschein auf den Tresen und steigt vom Barhocker. Der Alkohol zeigt Wirkung. Sie ist bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.
    Johnny nickt ihr zu. »Denn mal viel Glück, Mädchen.«
    Wahrscheinlich wird sie es brauchen.
     
    Janne nimmt ein Taxi in die Wingst. Der Fahrer, ein Russe, freut sich über den lukrativen Auftrag, denn es dauert gut eine Stunde, bis sie das hügelige Waldgebiet im Landesinnern erreichen. Das Radio läuft, dann und wann pfeift er ein Lied mit.
    Edna Kaldewey mag die See nicht. Als gebürtige Schlesierin hat sie sich nie an die Weite des Nordens gewöhnen können. Sie ist Jannes einzige noch lebende Blutsverwandte ersten Grades. Jannes leibliche Mutter Henrika Sayer war ihre Tochter. Die Eltern Oskar Sayers, des Mannes also, der in ihrer Geburtsurkunde als Vater vermerkt ist, sind schon lange tot.
    Jahre sind vergangen, seit sie ihre Großmutter zuletzt gesehen hat. Sonderlich gemocht haben sie einander nie. Es war

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