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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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etwas für dich tun kann, lass es mich wissen, okay?«
    »Okay«, sagt Janne und legt auf. Das Gespräch hat sie sehr deprimiert.
     
    Sie lässt es gut sein für den ersten Arbeitstag. Es wird Zeit, sich weiter dem Projekt Wahrheitsfindung zu widmen: Wahrheit über Paul Flecker. Wahrheit über Erik. Wahrheit über sich selbst. Letzteres zuerst.
    Janne fährt erneut in die Wingst zu Oma Edna. Diesmal ist sie fest entschlossen, ihr einige Informationen zu entlocken. Dafür hat sie extra eine Flasche Köm mitgenommen. Leider hat Edna ihren trinkfesten Tag. Der hochprozentige Klare steigt ihr nicht zu Kopf, Janne hingegen fühlt sich bereits nach dem ersten Glas, als drückte jemand seine Daumen auf ihre Augäpfel.
    »Du willst mich ausfragen«, konstatiert Edna, die diesmal einen Rock und eine helle Bluse trägt. Sie wirkt ausgeglichener als vor zwei Tagen. »Ich habe schon auf dich gewartet.«
    Janne nickt ergeben. Eigentlich wollte sie ihre Großmutter unter Druck setzen. Aber womit?
    »Und wenn mir nicht danach zumute ist, dir etwas zu erzählen?«
    Anstatt zu antworten, hievt Janne sich aus dem Polstersessel und geht zu einer Kommode, auf der bei glücklicheren Großmüttern Fotos der Enkel und Urenkel stehen würden. Edna Kaldewey hat nur ihr Hochzeitsfoto und ein Porträt des Kaninchens rahmen lassen.
    »Ich könnte dich von jetzt an öfter besuchen. Ich lebe wieder in Cuxhaven«, sagt Janne.
    »Was sollte dich dazu bringen?«
    »Ein schlechtes Gewissen.«
    Edna lacht auf. »Gewissensbisse bei einem Mitglied der Familie Flecker. Das wäre ja mal ganz was Neues.«
    Janne ist irritiert. »Ich wusste nicht, dass du so eine schlechte Meinung von uns hast. Du redest in erster Linie von meinem Vater, nehme ich an.«
    »Paul ist kein schlechter Kerl. Er hätte deine Mutter heiraten sollen. Ich mochte ihn von Anfang an, weißt du, ich mochte ihn wirklich. Sie haben hervorragend zueinandergepasst. Beide Familien stammten aus Schlesien. Und wie verliebt die zwei gewesen sind. Schon in der Schule. Das konnte jeder sehen.« Edna und greift nach Elvis, der zu ihren Füßen hockt und an den Teppichfransen knabbert.
    Janne überlegt. Wenn ihre Großmutter nichts durcheinanderbringt, war ihre Mutter Henrika demnach in der Tat mit Paul Flecker liiert, genau wie sie vermutet hat. Allerdings vor ihrer Heirat mit Oskar Sayer, also Jahre vor Jannes Geburt. Hatte Paul später noch einmal ein Verhältnis mit seiner Jugendliebe? Könnte es sein, dass sie das Produkt dieses Seitensprungs ist? Die Vorstellung behagt ihr nicht, doch sie schiebt reflexartig jedes aufkommende Gefühl beiseite, um den Fortgang des Gesprächs nicht zu gefährden. Sie muss unbedingt die ganze Wahrheit erfahren.
    »Paul Flecker wollte immer etwas Besseres sein, der weiß einfach nicht, wo er hingehört, das ist sein Problem«, sagt Edna und krault das Kaninchen zwischen den Ohren.
    Janne geht auf den Vorwurf nicht ein. »Wieso haben er und Mama sich getrennt? Wegen Oskar?«
    »Unsinn. Henrika hat Paul immer geliebt. Aber der wollte ja lieber das Fräulein Viktoria Conradi zur Frau, verstehst du?«
    Janne nickt. Ihre Großmutter hat vermutlich Recht mit der unausgesprochenen Unterstellung, ihr Vater habe seine Wahl aus wirtschaftlichen Gründen getroffen.
    »Oskar Sayer, dieser Tommy-Bastard. Der hätte doch alles für Paul Flecker getan, der war dem doch hörig«, fährt Edna fort. »Worauf willst du hinaus?«
    Die alte Frau hüstelt. »Vergleiche doch mal dein Geburtsdatum mit dem Hochzeitstag deiner Mutter, und dann rechne fleißig.«
    »Ich kenne den Hochzeitstag nicht«, erwidert Janne zunehmend gereizt.
    »7. Dezember 1976«, grollt Edna. »Schwanger. Henrika war mit dir schwanger. Und was glaubst du, von wem?« Sie macht eine bedeutungsvolle Pause, als würde Janne die Antwort nicht schon ahnen. »Von Paul Flecker, der einfach nicht die Finger von ihr lassen konnte, obwohl er seit sieben Jahren mit Viktoria verheiratet war. Was für eine Blamage. Meine Tochter schwanger vor dem Pastor. Und ein spätes Mädchen war sie obendrein.«
    Janne läuft rot an, sie schämt sich für ihre Mutter und für sich selbst. Am liebsten würde sie kein Wort mehr hören, doch sie zwingt sich, weiterzufragen: »Wusste Oskar davon?«
    »Ganz bestimmt. Er hat seinem Kumpel Paul mit der Hochzeit einen Gefallen getan.«
    »Nein«, sagt Janne schwach, als ihr klar wird, dass die ganze Geschichte sogar noch erbärmlicher ist, als sie befürchtet hat. »Das glaube ich alles

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