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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Wahrscheinlich hat sie gerade mit dem Solisten gevögelt. Janne verschränkt die Arme unter der Brust. Ihr schlechtes Gewissen wütet in ihr. »Die Frage ist doch irrelevant.«
    »Wieso?«
    »Weil es keine Rolle spielt. Der Todeszeitpunkt ist ja nicht identisch mit dem Tatzeitpunkt. Oder wissen Sie, wann genau die Falle in der Boje platziert wurde?«
    »Nein«, gibt Hagedorn zu. »Und Sie?«
    »Nein. Natürlich nicht.«
    »Kennen Sie sich mit diesen Dingern eigentlich aus?« Janne nickt widerstrebend, und um sich reinzuwaschen, fügt sie hinzu: »Ich war in Berlin.« »Wann?«
    »Immerzu«, sagt Janne. »Seit Ostern. Das habe ich Ihnen doch neulich schon erzählt. Außerdem verstehe ich nicht, warum Sie mich wie eine Verdächtige behandeln. Ich dachte, Sie hätten den Fall abgeschlossen.«
    »Der Fall ist abgeschlossen, wenn das Gericht ein Urteil gefällt hat, keine Sekunde früher. Die Staatsanwaltschaft ist nicht leicht zufriedenzustellen. Ich will sichergehen, dass wir nichts übersehen haben. Das ist ja auch in Ihrem Sinne, wie mir Ihr Bruder Meinhard bereits versichert hat«, antwortet Hagedorn und tippt auf seine Armbanduhr. »Aber jetzt habe ich Sie lange genug von der Arbeit abgehalten.« Er geht zur Tür, wo er sich noch einmal zu ihr umdreht. »Woher stammt eigentlich diese Verletzung an Ihrem Kopf?«
    Ist es strafbar, einen Polizisten anzulügen? Oder ist das nur unter Eid verboten? »Ich bin im Watt gestürzt«, sagt Janne. »Der Nebel war schuld.«
    Er schüttelt den Kopf. »Wissen Sie denn nicht, wie gefährlich das Watt bei Nebel sein kann?«
    »Das Watt ist immer gefährlich.«
    »Na, wenn Sie das sagen«, antwortet er und geht, ohne sich zu verabschieden.
    Die Befragung hat Janne aufgewühlt. Sie fühlt sich kaum noch in der Lage zu arbeiten, zumal mit dem Schmiss über dem Auge jeder Gang über das Werftgelände einem Spießrutenlauf gleicht. Einzig Birger Harms bringt es fertig, nicht zu glotzen und keinen Kommentar abzugeben. Gleichwohl ist er nicht gut auf sie zu sprechen, da sie seiner Meinung nach etwas zu viel von ihrer Verantwortung auf ihn abgeladen hat. Sie bemüht sich, ihm aus dem Weg zu gehen, er hingegen sucht die Konfrontation und baut sich vor ihrem Schreibtisch auf. »Du musst endlich klarstellen, wer hier der Kapitän ist«, grollt er.
    »Es ist doch kein Geheimnis, dass ich nichts vom Bootsbau verstehe. Warum regst du dich so auf? Die Mitarbeiter folgen dir blind.«
    »Schon, aber letztlich hast du das Kommando. Du triffst die Entscheidungen, und das wissen sie. Deswegen müssen sie Vertrauen in deine Führungsstärke gewinnen.«
    »Die ich nicht habe.«
    »Dann tu wenigstens so. Blenden gehört zum Geschäft, sagt Birger. Er legt ein Schreiben vor ihr auf den Tisch. Eine Einladung der Industrie- und Handelskammer zum »Jahrestreffen der maritimen Wirtschaft im Elbe-Weser-Raum«. Sie hatte es bereits im Papierkorb entsorgt.
    »Du denkst, ich sollte da hingehen?«
    »Unbedingt. Da triffst du alle, die du kennen musst, Freund und Feind.«
    Auch den Mörder? »Kommst du mit und leistest mir Beistand?« Er nickt widerwillig. »Was soll ich anziehen?«
    »Gott mit uns«, sagt Birger Harms und reckt die Handflächen gen Himmel. »Frauen an Bord bringen Krankheit und Seenot, und sie stellen immer die falschen Fragen zuerst.«
    »Eine kleine Nachtmusik«. Warum eigentlich muss bei offiziellen Anlässen immerzu Mozarts Evergreen gespielt werden? Der Komponist verabscheute förmliche Veranstaltungen, das ist überliefert. Nur weil Organisatoren zu gern Leichtigkeit mit Harmlosigkeit verwechseln, verwursteln sie seine Meisterwerke als Hintergrundgedudel. Janne beobachtet das Streichquartett -Halbwüchsige, die laut Ankündigung erfolgreich an lokalen und überregionalen Wettbewerben teilgenommen haben. Der Junge an der zweiten Geige hält sein Instrument so weit wie möglich auf Distanz, als befürchtete er, es könne Krankheiten übertragen. Vielleicht stört ihn auch nur die unreine Quinte zwischen A- und E-Saite. Janne hätte Lust, hinzugehen und am Wirbel zu drehen. Da hat er schon an jeder Saite Feinstimmer anbringen lassen -warum zur Hölle benutzt er sie nicht?
    »Du sollst nicht die Musiker nervös machen, sondern dich unter das Volk mischen«, raunt Birger Harms hinter ihr. »Na los, lass die Leute nicht warten. Ich dachte, du magst Partys.«
    »Ich komme gleich«, sagt Janne.
    Das Treffen der maritimen Wirtschaft findet in den Hapag-Hallen statt, lang gezogenen Backsteinbauten auf

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