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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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für eine Überraschung gut.«
    Janne nickt. Sie kennt nur den Anfang des Romans und nimmt sich vor, ihn so bald wie möglich zu Ende zu lesen. Vielleicht findet sie darin weitere Antworten auf die Frage, was für ein Mensch Paul Flecker wirklich ist.
    »Sag mal, hat bei der Trauerfeier eigentlich jemand Tonaufnahmen gemacht?«, fragt sie unvermittelt und so beiläufig wie möglich.
    Meinhard blinzelt. »Was soll das heißen - Tonaufnahmen?«
    »Zum Beispiel mit einem MP3-Player.«
    »Keine Ahnung. Die Dinger sind ja so klein, dass man sie nicht sieht. Jedenfalls haben ein paar Leute gefilmt.«
    Dieses Detail ist Janne entgangen. »Wirklich? Wer denn?«
    »Frau Bremer, soweit ich weiß, um es später der Belegschaft zu zeigen. Und Papa hat den Sarg aufgenommen, als du das Ave-Maria gespielt hast. Wieso willst du das wissen?«
    Janne zuckt mit den Schultern. »Nur so.«
    Ausgerechnet ihr Vater. Vermutlich mit der Kamera, die ihm seine Frau zum Geburtstag geschenkt hat.
    Meinhard bestellt ein Dessert. Sie haben von Anfang an leise geredet, doch nun beginnt ihr Bruder zu flüstern. Er hat seine Ankündigung wahr gemacht und wegen des Zusammenstoßes im Watt sämtliche Reitställe in der Umgebung angerufen. Leider war seine Mühe vergebens.
     
    Im Auto geraten sie aneinander. Janne sitzt am Steuer, Meinhard hat seinen Wagen in Duhnen stehen lassen. Der Anlass ist nichtig: eine bei Gelb überfahrene Ampel. Er beginnt, mit ihr zu schimpfen, zuerst nur wegen ihres Fahrstils, dann holt er weiter aus: »Du behandelst unsere Mutter rücksichtslos und kümmerst dich einen Dreck um die Werft. Stattdessen treibst du dich überall und nirgends herum, keiner weiß genau wo. Was ist eigentlich mit dir los? Warum stößt du jeden vor den Kopf? Du bist wie vom Teufel besessen.«
    Keine schlechte Umschreibung. Die nächste Kurve schneidet sie so scharf, dass Meinhards Kopf gegen das Fenster schlägt. Er ist ein Mensch mit geringer Körperspannung - jedenfalls in seiner Freizeit. Es ist, als würde er eine Art Energiesparmodus einschalten, um sein Arbeitspensum zu schaffen.
    »Ist das deine eigene Meinung, oder hat Mama dir die Ohren vollgejammert?«, fragt sie.
    Er schweigt, was Janne darauf schließen lässt, dass Letzteres der Fall ist. Sie hupt einen Fahrradfahrer an, der unvermittelt vom Fußweg auf die Straße wechselt. Sie nennt Meinhard Mamas Liebling und lässt sich zu einer Bemerkung hinreißen, für die sie sich sofort schämt, doch da ist es bereits zu spät, und der Streit nimmt eine unheilvolle Wendung: »Ich wünschte, Erik wäre hier.«
    »Denkst du, ich nicht? Aber Erik ist tot, und ich lebe. Trotzdem ziehst du seine Gesellschaft vor, ist es nicht so? Oder was treibst du bei Nebel allein im Watt? Ich versuche ja, für dich da zu sein, aber du lehnst mich ab. Warum eigentlich? Warum machst du es mir so schwer? Ich bin jetzt dein einziger Bruder, Janne Flecker.«
    »Ja, leider.«
     
    Weltuntergangsstimmung auch auf der Werft. Ein Konstrukteur und mehrere Arbeiter haben gekündigt, zwei Zulieferer können ihre Terminzusagen nicht einhalten, wie Gabi Bremer bei Jannes Eintreffen ohne Umschweife verkündet. Sie sieht aus, als hätte sie schon wieder auf dem Klo geweint.
    »Oh, hoher Besuch«, murmelt Birger Harms, ohne aufzublicken, als sie in das Büro ihres Vaters marschiert.
    »Mach mich nicht an.«
    Sein Schreibtisch quillt über, und er trägt ölverschmierte Arbeitskleidung. Auf einem Stuhl liegen eine Schutzbrille und feuerfeste Handschuhe, wie sie beim Schweißen benutzt werden. Ein Werkzeugkasten steht mitten im Weg. Birger ist seelenruhig dabei, etwas zu notieren, während am Telefonapparat mehrere Lämpchen blinken. Als er fertig geschrieben hat, nimmt er nacheinander drei Gespräche entgegen. Janne beobachtet ihn. Der Mann ist über siebzig. Wie lange steht er diesen Stress durch? Hoffentlich lange genug.
    Sie fragt ihn um Rat wegen der Kündigungen. Er macht ihr nichts vor, erklärt, so etwas könne leicht um sich greifen, bis am Ende nur Nieten und Faulpelze freiwillig blieben. Schon jetzt sei der Verlust schwer zu verschmerzen.
    »Was können wir tun?«
    »Neue Leute einstellen, aber so schnell kriegen wir keine. In Deutschland herrscht Facharbeitermangel.«
    »Birger, ich flehe dich an, denk dir etwas aus. Lass meinetwegen Arbeitskräfte aus Polen oder China einfliegen, mir egal. Bis dahin müssen die anderen eben Überstunden machen.«
    Birger rollt die Augen. »Das tun sie längst. Wärst du gelegentlich

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