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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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gehen, das wäre ein Anfang. Stattdessen bist du in den Augen der Belegschaft diejenige, die zuerst gekündigt hat. Und zwar gleich an deinem ersten Arbeitstag.«
    Janne schluckt trocken. Dem ist nichts hinzuzufügen. Birger Harms hat recht. Sie spielt mit den Fransen der blau-weiß karierten Tischdecke. Eine viereckige Decke auf einem runden Tisch. »Ich brauche Zeit. Warum können die sich nicht vorübergehend damit begnügen, dass du da bist?«, fragt sie.
    »Weil ich nicht das Zeug zum Unternehmer habe und das kein Geheimnis ist. Außerdem bin ich steinalt. Du solltest die heimlichen Blicke der Leute sehen - als könnte ich jede Sekunde tot umfallen. Und du hast mich vorhin auf dieselbe Weise angeschaut.«
    Janne spürt, wie ihr das Blut in Wangen schießt. »Würdest du bitte trotzdem die Stellung halten, so gut es geht? Bitte.« Er räumt schweigend den Tisch ab.
    »Bitte, Birger«, wiederholt sie. »Ich verstehe deinen Ärger ja, aber lass mich nicht im Stich. Okay?«
    »Was bleibt mir anderes übrig?«, murmelt er im Vorbeigehen.
    Janne steht ebenfalls auf und zieht sich den Mantel an. An der Tür hält Birger sie zurück, in der Hand die schmutzige Pfanne. »Ich weiß, wie schwer es ist, deinem Vater etwas abzuschlagen. Deswegen verstehe ich, warum du dich auf die Sache eingelassen hast, Janne. Aber wenn du es nicht kannst, dann verkauf lieberrechtzeitig. Das wäre keine Schande. Wenn du wartest, bis die Werft runtergewirtschaftet ist, wirst du gnadenlos abgezockt. Das ist alles schon da gewesen.«
    »Ich schaffe das«, erwidert sie. »Hauptsache, ich kann auf dich zählen.«
     
    Die Nacht bringt einen Vorgeschmack auf den Winter. Als Janne im Bett liegt, beginnt es zu regnen. Der Regen geht zunächst in Hagel, später im Morgengrauen in Schnee über. Nasser, klebriger Schnee, der im fahlen Licht des Tages zu schmutzigen Flecken schmilzt. Wie Mauerschwamm.
    Sie erscheint früher als je zuvor im Büro, wo Birger Harms mit einem weiteren Repräsentationstermin für sie aufwartet, und zwar einem wesentlich unangenehmeren als das Abendessen bei der Industrie- und Handelskammer: Der Nautische Verein lädt zur traditionellen Gesellschaftsjagd in der Wingst ein. Erik und ihr Vater haben regelmäßig daran teilgenommen. Hat sie eine Wahl?
     
    Am betreffenden Tag ist es kalt, unerträglich kalt. Janne verliert schnell jedes Gefühl in den Zehen. In der Nacht ist etwas Neuschnee gefallen und liegen geblieben, es herrscht leichter Dauerfrost, und ein strenger Wind bläst aus wechselnden Richtungen. Doch damit allein käme sie klar. Was das Wetter so unerträglich macht, ist die Feuchtigkeit. Und die Tatsache, dass sie seit mehr als drei Stunden an der Seite von Laurens Jörgensen und einem pensionierten Marinekapitän durch den Wald stapft, eine Kleinkaliberbüchse über die Schulter geschnallt.
    Sie hat noch keinen Schuss abgefeuert. Das ärgert sie, denn sie ist eine ausgezeichnete Schützin. Jedenfalls war sie es früher, als sie noch hin und wieder mit ihren Brüdern und ihrem Vater auf die Pirsch gegangen ist und mit Auszeichnung ihre Jagdprüfungbestanden hat. Aber der Köter von Kapitänleutnant a. D. Henry Glüsing, eine überdrehte Bracke, zertrampelt alle Fährten und scheucht mit seinem Dauergebell jedes Getier schon aus kilometerweiter Entfernung auf. Sie befinden sich jedoch keineswegs auf einer Treib-, sondern auf einer Drückjagd. Dabei gilt es, das gejagte Wild nicht hochflüchtig zu machen, sondern lediglich in Bewegung zu bringen, es eben aus dem Gehölz zu drücken -nicht zu treiben.
    »Sie sollten ihn abrichten lassen«, raunt sie Glüsing zu.
    »Er ist ein Jungtier, was soll ich machen?«
    Das gefrorene Laub unter ihren Füßen knistert wie prasselndes Feuer. Eisiges Feuer. Janne reibt sich die Hände. Sie hat Handschuhe mit offenen Fingerkuppen angezogen, was sie mittlerweile bitter bereut.
    »Noch einen Schnaps, Fräulein Flecker?«, fragt Glüsing, ein kleiner Mann mit einem Schnurrbart, der von Raureif überzogen ist, ebenso wie seine borstigen Augenbrauen. Er hat einen silbernen Flachmann dabei, eine Art Thermoskanne für Alkohol. Der Deckel dient als Glas. Dankend lehnt sie ab.
    »Waidmannsheil.« Die Männer trinken, die Bracke jault.
    Wegen des Lärms hätten sie beinahe überhört, dass das Hifthorn zum Sammeln bläst. Janne atmet auf.
    Doch es ist längst nicht vorbei. In einem Pferdeanhänger wird die Jagdgesellschaft zu einem benachbarten Revier transportiert. Dicht gedrängt steht

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