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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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sie nicht, dafür das Mündungsfeuer, was ihr ermöglicht, einen halbwegs gezielten Schuss abzugeben und keuchend wieder in Deckung zu gehen. So weit ist es gekommen: Sie hat zurückgeschossen. Sie kauert mit einem Gewehr hinter Bäumen und zielt auf einen Menschen. Unter Umständen hat sie bereits getroffen. Er könnte schwer verletzt oder tot sein, einen Arzt benötigen - oder einen Leichenwagen. Oder er wartet unversehrt da drüben im Unterholz, die Waffe im Anschlag, und baut darauf, dass sie, die Gejagte, zuerst einen Fehler machen wird.
    Janne lauscht. Nichts regt sich mehr am anderen Ende der Lichtung. Minuten verstreichen, oder Stunden. Sie wagt nicht, sich zu rühren. Irgendwann spürt sie die Kälte wieder. Und Angst, die ihr die Kehle zuschnürt.
     
    Schritte erklingen, schwere Stiefel und das Trippeln von Pfoten auf gefrorenem Laub. Aufgeregtes Gebell. »Fräulein Flecker?«
    Der Kapitän und seine Bracke. Nie hätte sie gedacht, dass sie mal so froh sein würde, die beiden im Anmarsch zu wissen. So wie es klingt, kommen sie in Begleitung weiterer Männer. Waidmannsdank.
    »Hallo, hier bin ich«, ruft sie.
    Den Schutz des Eichenstammes wagt sie erst zu verlassen, als die Jäger sie beinahe erreicht haben: Henry Glüsing, Laurens Jörgensen, der Jagdaufseher und ein weiterer Mann sind ihre Retter. Jaulend springt der Hund an ihr hoch, als wären sie die bestenFreunde, und Janne lässt sich bereitwillig über das Gesicht lecken. Gern würde sie jetzt jeden Einzelnen umarmen. Die Männer hingegen strahlen nach den Strapazen des Tages wachsende Ungeduld aus. Die Einkehr lockt.
    »Sie haben Schüsse abgefeuert«, sagt der Jagdaufseher. »Haben Sie Wild erlegt?«
    Janne atmet tief durch. »Nein, leider nicht. Könnten wir dort drüben noch einmal gemeinsam nachsehen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Hirschkuh angeschweist habe.«
    Ein Risiko, gewiss, doch sie will sich nicht auf die gleiche Stufe mit ihrem Verfolger stellen, sie muss wissen, ob sie jemanden verwundet hat. Der Kerl wird schon nicht schießen, wenn so viele Unbeteiligte dabei sind. Sie durchsuchen das Unterholz und stoßen auf Stiefelspuren im Schnee. Schuhgröße dreiundvierzig, mindestens, starkes Profil.
    »Wer schleicht denn hier durch das Unterholz? Ich dachte, der gesamte Wald ist wegen der Jagd gesperrt«, sagt Jörgensen mit gerunzelter Stirn.
    »Ist er auch, aber die Leute machen einfach, was ihnen gefällt«, sagt der Jagdaufseher. »Die können oder wollen keine Schilder mehr lesen, die reinste Anarchie.«
    Die Bracke schnüffelt konzentriert an einem Gebüsch. Janne nimmt die Stelle in Augenschein, kann jedoch nichts Auffälliges entdecken.
    »Es könnten auch Jagdgegner sein«, sagt Glüsing grimmig. »Die sind überall.«
    »Ja, die sind überall«, stimmt der Jagdaufseher zu.
    Auf dem Rückweg kritisiert er Janne scharf: »Sie haben sehr viele Schüsse abgefeuert. Das war nicht zu überhören. Solange es keine Möglichkeit zu einem wohlgezielten Schuss gibt, sollte man die Finger lieber vom Abzug lassen. Das müssten Sie doch wissen, Frau Flecker.«
    »Natürlich.« Janne räuspert sich.
    »Es muss schließlich waidgerecht zugehen«, sagt Glüsing und die anderen pflichten ihm bei. Wie auf Kommando bleiben sie stehen, um darauf zu trinken. Der Kapitän a.D. holt seinen versilberten Flachmann hervor und lässt den Becher mehrmals kreisen.
    »Auf die Waidgerechtigkeit«, sagt jeder, bevor er trinkt. Diesmal nimmt Janne einen großen Schluck und sogleich noch einen zweiten hinterher.
    »Auf die Waidgerechtigkeit.« Ihr Rachen brennt.
    »Der Ruf der Jägerschaft ist ohnehin schlecht genug«, sagt Glüsing. »Zu Unrecht natürlich. Absolut zu Unrecht.«
    Das scheint auch Pastorin Friederike Reemts so zu sehen, die sie am Sammelpunkt erwartet, um an der so genannten Strecke, dort, wo das erlegte Wild aufgebahrt wird, einen Segen zu sprechen. Darauf wird das Wild totverblasen. Alles in allem war es eine erfolgreiche Jagd. Außer für Janne und ihren Verfolger.
     
     
     
    PAUL
    Leises Rauschen, stetes Geplätscher. O ja, er kennt diesen fröhlich wispernden Bach, dessen Seele rein ist, frei von Schuld. Ein Gewässer, das sich niemals aufbäumt, nichts und niemanden mit sich reißt und dessen sandiger Grund festen Halt zum Stehen bietet. Kühles, klares Quellwasser ohne Spuren von Meersalz. Tief im Osten liegt dieser Ort seiner Kindheit, fernab der See und ihrer grausamen Launen, und Paul Flecker kann sein Glück kaum fassen, dass

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