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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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getroffen.»
    «Geschäfte nach Feierabend?», fragte George lächelnd. «Dafür sind Sie doch noch zu jung, Browne. Auch wenn ich nicht weiß, was für Geschäfte Sie eigentlich betreiben.»
    Zufällig war am Tisch eine Gesprächspause entstanden. Anthonys Antwort kam gezielt und gelassen.
    «Wenn man mich danach fragt, Barton, sage ich immer: organisiertes Verbrechen. Raub auf Bestellung. Diebstahl im Angebot. Experte für Hausbesuche aller Art.»
    Sandra Farraday sagte lachend:
    «Haben Sie nicht irgendetwas mit der Rüstung zu tun, Mr Browne? Wenn man heute ins Theater geht, ist doch immer ein Waffenhändler der Bösewicht.»
    Iris sah, wie Anthonys Augen sich vor Überraschung sekundenlang weiteten. Seine Antwort aber klang scherzhaft.
    «Verraten Sie mich bloß nicht, Lady Alexandra. Pssst! Feind hört mit. Reden Sie mich nicht um Kopf und Kragen!»
    Er schüttelte mit gespieltem Ernst den Kopf.
    Der Kellner räumte die Austernplatten ab. Stephen bat Iris um den ersten Tanz.
    Bald tanzten sie alle. Die Stimmung wurde gelöster.
    Endlich tanzte Iris mit Anthony.
    «Gemein von George, dass wir nicht nebeneinander sitzen», sagte sie.
    «Nett von ihm! Auf diese Weise kann ich dich die ganze Zeit über den Tisch hinweg ansehen.»
    «Aber du willst doch nicht wirklich schon eher gehen?»
    «Eventuell muss ich. – Wusstest du, dass Colonel Race kommt?»
    «Nein, ich hatte keine Ahnung.»
    «Merkwürdige Sache.»
    «Kennst du ihn? Ach ja, du sagtest es neulich. – Was für ein Mensch ist er eigentlich?»
    «Das weiß keiner so recht.»
    Sie kehrten an den Tisch zurück. Der Abend ging weiter. Allmählich schien die Spannung, die sich schon etwas gelockert hatte, wieder zuzunehmen. Es herrschte eine nervöse Atmosphäre am Tisch. Nur der Gastgeber machte einen liebenswürdigen und unbekümmerten Eindruck.
    Iris bemerkte, dass er auf die Uhr schaute.
    Plötzlich ertönte ein Trommelwirbel – die Lichter gingen aus. Eine Bühne wurde ausgefahren. Stühle wurden zurückgeschoben oder zur Seite gedreht. Drei Männer und drei Mädchen erschienen auf der Tanzfläche und tanzten. Nach ihnen folgte ein Geräuschimitator. Züge, Dampfwalzen, Flugzeuge, Nähmaschinen, hustende Kühe. Er hatte großen Erfolg. Lenny und Flo folgten in einem Schautanz, der mehr einer Trapeznummer als einem Tanz glich. Applaus, Applaus! Zum Abschluss noch einmal ein Auftritt des « Luxembourg-Sextetts» . Die Beleuchtung ging wieder an.
    Jedermann blinzelte.
    Zugleich schien eine plötzliche Woge der Erleichterung über die Runde an George Bartons Tisch hinwegzugehen. Es war, als hätten sie alle unbewusst auf etwas gewartet, das glücklicherweise ausgeblieben war. Bei einer früheren Gelegenheit hatte man im selben Moment, als die Lichter wieder angingen, eine Leiche am Tisch entdeckt. Es kam ihnen vor, als sei die Vergangenheit erst jetzt wirklich vorbei – vorbei und vergessen. Die Schatten einer längst vergangenen Tragödie hatten sich verflüchtigt.
    Sandra begann lebhaft, auf Anthony einzureden. Stephen sagte etwas zu Iris, und Ruth beugte sich vor, um auch etwas beizusteuern. Nur George saß auf seinem Platz und starrte vor sich hin – starrte auf den leeren Platz ihm gegenüber. Dort stand ein unbenutztes Gedeck. Das Champagnerglas war gefüllt. Jeden Augenblick konnte jemand kommen, könnte sich jemand dort niederlassen –
    Ein leichter Rippenstoß von Iris rief ihn in die Gegenwart zurück.
    «Wach auf, George. Lass uns tanzen! Mit mir hast du noch gar nicht getanzt.»
    Er raffte sich auf. Lächelnd hob er ihr sein Glas entgegen.
    «Lass uns zuerst anstoßen – auf das Wohl der jungen Dame, deren Geburtstag wir feiern. Iris Marie, sie lebe hoch!»
    Alle tranken lachend auf Iris’ Wohl und erhoben sich dann, um wieder zu tanzen, George und Iris, Stephen und Ruth, Anthony und Sandra.
    Die Band spielte einen flotten Jazz.
    Gemeinsam kehrten sie alle an den Tisch zurück und nahmen lachend und plaudernd ihre Plätze wieder ein.
    Plötzlich lehnte sich George vor.
    «Ich möchte euch alle um etwas bitten. Ungefähr vor einem Jahr haben wir hier schon einmal einen Abend zusammen verbracht, einen Abend, der tragisch endete. Ich möchte nicht an vergangenen Kummer erinnern, ich möchte nur das Gefühl haben, dass Rosemary nicht ganz und gar vergessen ist. Deswegen bitte ich euch, mit mir auf das Andenken Rosemarys zu trinken – um der Erinnerung willen.»
    Er erhob sein Glas. Gehorsam taten die anderen es ihm gleich.
    «Auf Rosemary, in

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