Blauwasserleben
dem Boot, dann wisst ihr, ob ihr euch
auf ihm wohlfühlt.« Das Angebot von Antoine nahmen wir an â und alles passte.
Wir kauften das Schiff einen Tag nach Stefans 36. Geburtstag; am 25. März unterschrieben wir den Vertrag in einem Café in Marmaris. Einzige
Bedingung, die wir an Antoine stellten: ein einwöchiges Probesegeln. Keiner
kauft ein Schiff, ohne damit auf dem Wasser gewesen sein. Wieso wir den
Katamaran schlieÃlich bekamen? Der Italiener, der zuerst die Absicht hatte, das
Boot zu erwerben, wollte es nur im Mittelmeer fahren und auch einiges an der
Struktur verändern, wie etwa einen zweiten Motor einbauen. Doch für Antoine war
dieses Boot, genau so wie es war, ein Lebenstraum gewesen. Viele Jahre war er
um die Welt gesegelt, bis er sich diesen Katamaran in Australien baute,
zusammen mit einem Designer names Owen Easton. Während er an dem Schiff
bastelte, gingen seine Kinder zum ersten Mal in eine richtige Schule. Als der
fertige Katamaran zu Wasser gelassen wurde, waren die Kinder im Teenageralter,
wollten ihre festen Freunde um sich haben und in ihrem Heimatland Frankreich
zur Schule gehen. Nach einer kurzen Segelzeit sah Antoine ein, dass er den
Katamaran aufgeben musste.
Er muss gespürt haben, dass mit uns sein Traum weiterleben würde,
der Italiener hätte ihn nur zerstört.
»Und nun?«, fragte Stefan, nachdem er den Kaufvertrag in Händen
hielt. »Die ganze Welt muss doch erfahren, dass wir jetzt ein Boot haben.«
»Na ja, vielleicht nicht die ganze Welt, aber unsere Freunde schon.«
Wir schrieben in einem Internet-Café eine E-Mail mit der
Betreffzeile: »Our baby is born!« Das war unsere
Antwort auf all die vielen Geburtsanzeigen, die wir in letzter Zeit von unseren
Freunden erhalten hatten. Sascha war zur Welt gekommen, Anna-Maria, Jan-Philip,
soundso viele Zentimeter groÃ, soundso viel Gramm schwer. Alle, die uns lange
nicht gesprochen hatten, würden angesichts der Betreffzeile denken, nun würde
es wohl nichts mit unserer Weltumsegelung, jetzt, wo unser Kind da sei. Bis sie
lasen, dass unser Baby vierzehn Meter lang war, sieben Meter breit und neun
Tonnen schwer.
Die nächsten Wochen waren wir â frischgebackenen Eltern
nicht unähnlich â vollauf beschäftigt. Statt Windelalarm und durchwachten
Nächten hatten wir es jedoch mit anderen Problemen zu tun: Haufenweise Papiere
mussten unterschrieben und Flaggenzertifikate ausgestellt werden. Antoine hatte
uns auch erzählt, dass man bald die Marina schlieÃen würde. Das hieÃ, wir
mussten für unser »Baby« eine neue Unterkunft finden. Möglichst wieder im
Mittelmeerraum.
Doch die wichtigste Ãberlegung war: Wann sollte es überhaupt
losgehen? Wie konnte Stefan schnellstmöglich seinen Job zu einem guten Ende
bringen? Alle in der Firma wussten â und glaubten â inzwischen, dass er nicht
erst als Rentner zu seiner Weltumsegelung aufbrechen würde. Aber sie wussten
auch, dass er niemals begonnene oder angeleierte Projekte von heute auf morgen
hinschmeiÃen würde. Manche meinten, nachdem sie von dem Bootskauf erfuhren,
Stefan würde auf dem Meer nicht glücklich werden, er bräuchte die Anerkennung
in seinem Job, von der er immer so viel bekommen hatte. Niemals würde er auf
Dauer das Leben eines Seglers führen können.
Doch wer das behauptete, der kannte Stefan nicht. Der hatte nicht
verstanden, wie wir uns in den vergangenen Jahren genau auf diesen Moment
vorbereitet hatten. Er hätte in seiner Ein-Mann-Beratung schon längst zehn
weitere Leute anstellen können. Das hätte mehr Gewinn bedeutet â aber genau das
wollte er nicht. Seine Mitarbeiter wären von ihm abhängig gewesen, und niemals
hätte er seine Mitarbeiter hängen lassen können. Aussteigen wäre dann unmöglich
gewesen. Also blieb er bei seiner One-Man-Show, die für uns das Sprungbrett ins
Blauwasserleben war.
Dennoch sollte gut ein weiteres Jahr ins Land gehen, bis wir endlich
aufbrechen konnten. Zunächst lebten wir eine Zeit lang im indonesischen
Surabaya, anschlieÃend in Bangkok.
Während unserer Aufenthalte in Thailand und Indonesien kümmerte ich
mich um alles, was für die Weltumsegelung notwendig war. Ich surfte im Internet
nach passenden Bootsversicherungen, auch nach den besten Möglichkeiten einer
Krankenversicherung für Stefan und mich. Brauchten wir auch eine
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