Blauwasserleben
flügelähnlichen Flossen ein, so gut
es ging, und schleuderten sie ins Wasser zurück. VergaÃen wir einen, stank am
nächsten Tag das ganze Boot danach.
»Günther junior« hielt uns weiterhin auf Kurs. Doch eines Abends,
wir sahen gerade einem Schwarm Fliegender Fische im letzten Tageslicht zu,
hörten wir ein weiteres unbekanntes Geräusch. Solche Geräusche treten offenbar
immer dann auf, wenn es gerade dunkel wird. Irritiert blickten wir in Richtung
Steuerrad. Die Zahnräder im Antriebsmotor waren unter der Lenklast
zusammengebrochen (sie waren aus Plastik gewesen, was wir nicht beachtet
hatten), dabei sind sie in ihrer Bedeutung vergleichbar mit der Rose eines
Kompasses.
»Haben wir Ersatzteile für gebrochene Zahnräder?«, fragte ich.
»Nein«, sagte Stefan.
»Und warum nicht?«
»Als wir den Autopiloten auf den Kanarischen Inseln gekauft haben,
waren sie nicht lieferbar.«
Wir hatten uns zudem bewusst für ein kleines Modell entschieden. Wir
wollten den komplizierten Einbau des gröÃeren vermeiden, meinten, dass das
kleinere es auch tun würde. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich nun
herausstellte. Stefan war schlecht drauf, kein Wunder, denn das konnte
bedeuten, fortan Tag und Nacht am Steuer zu sitzen. Ich selbst wusste nicht, ob
ich lachen oder weinen sollte. Zwei Wochen von Hand steuern â oje! Und das, wo
wir nur zu zweit waren. Nun verstand ich, warum die ARC ler
immer mehrere Leute an Bord hatten.
»Wir müssen den Senior wieder aus der Frührente holen«, sagte
Stefan. »Der wird jetzt seinen groÃen Auftritt haben wollen, schon allein, um
dem Junior zu zeigen, dass er noch längst nicht zum alten Eisen gehört.«
Wir erlebten tatsächlich das erfolgreiche Comeback eines Oldies. Der
Senior quietschte ein wenig, aber es schien, als würde es ihm groÃen SpaÃ
machen, die Baju zu steuern. Der Katamaran tanzte
jedenfalls wieder ordentlich herum. Es war schon beeindruckend, wie von
Geisterhand auf eine Wellenbergspitze gehoben zu werden und sechs Meter
hinunter auf den Ozean zu schauen. Jeden Tag beteten wir: »Günther, halte bitte
durch.« Wir reduzierten die Segel, lieÃen Leine, damit er nicht so viel
gegenlenken musste und es bis in die Karibik schaffte. Wir lauschten fast nur
noch seinem Quietschen. »Hast du gehört? Das Quietschen klingt jetzt ganz
anders als noch vor einer Minute.« â »Ãberhaupt nicht, du bist viel zu
angespannt â¦Â« Dennoch wagten wir nicht, uns vollkommen auf ihn zu verlassen. Wie
im Mittelmeer schoben wir wieder Nachtwachen, im Wechsel von jeweils drei
Stunden.
Eines Nachts, als ich an der Reihe war, strich Stefan
zärtlich über meine FüÃe. »Oh nein, schon wieder drei Stunden vorbei? Ich bin
doch gerade erst eingeschlafen.« Müde blickte ich in Stefans Gesicht, bei
abwechselnden Nachtwachen schlief ich immer schlecht. Meist blieb ich lange
wach, lauschte auf die Geräusche, und war eines ungewöhnlich, stürzte ich
sofort an Deck; es konnte Stefan ja etwas passiert sein.
»Komm schon, ich habe vier Stunden Wache gehalten und bin todmüde.«
Kaum hatte Stefan die letzten Worte ausgesprochen, war er auch schon wieder auf
dem Weg nach oben. Keine Minute wollte er das Schiff sich selbst überlassen. Genau
in dieser einen Minute konnte ja ein Sturm aufkommen.
Ich rollte mich aus dem Bett, zog die salzige lange Hose an, das
nicht weniger salzige Fleeceshirt und tappte im Dunkeln durch die Küche nach
oben in den Salon. Wachübergabe. Es war stockdunkel. Nur unsere kleine LED -Tischlampe leuchtete rot. Rot, damit man nicht
geblendet wurde und sich nach dem Hinausgehen schneller einen Ãberblick
verschaffen konnte.
Stefan saà am PC . »Wir sind hier«,
erklärte er anhand einer Positionskarte. »Wir haben in dieser Nacht bislang 32 Meilen geschafft, Durchschnitt acht Knoten. Die Segel habe ich nicht verändert
und kein Schiff gesichtet.«
»Okay«, antwortete ich schlaftrunken.
»Ich bin im Bett, falls du mich suchst. Weck mich, wenn etwas
passiert oder der Wind auffrischt.«
»Klar, wie immer. Und zieh du dich bitte aus, bevor du dich
hinlegst, damit das Bett nicht noch mehr zu einer Salzwanne wird. Schlaf gut.«
Nachdem Stefan verschwunden war, überprüfte ich Stefans Angaben,
schaute drauÃen am Steuerrad auf das GPS , das mir
Position und Geschwindigkeit anzeigte,
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