Blauwasserleben
richtigen Kite-Lehrer gefunden. Stattdessen
wartete ich darauf, dass der Wind sich wieder legte und das Wasser glatt und
klar wurde, damit ich schnorcheln konnte.
Seit Tagen schliefen wir ohne Zudecke, nachts war es brüllend heiÃ
in der Kabine. Einzig der kleine Zwölf-Volt-Ventilator brachte ein bisschen
Luft, Stefan hatte ihn vor ein paar Tagen über unserer 1,40 Meter breiten
Matratze eingebaut. An das gleichmäÃig summende Geräusch der Ventilatorenblätter
hatten wir uns schnell gewöhnt.
Als es drauÃen zu dämmern begann, richtete ich mich in meinem Bett
auf. Stefan schlief noch tief und fest an meiner Seite. Ein perfekter Moment
für meine Yogaübungen. Leise stieg ich aus dem Bett, um Stefan nicht zu wecken,
zog mir bequeme Shorts an, streifte mir ein T -Shirt
über, schnappte mir meine blaue Yogamatte, lief geräuschlos durch die Küche
nach oben und öffnete die Cockpittür. Seitdem wir das Mittelmeer verlassen
hatten, schliefen wir immer mit geschlossener Tür, dazu hatte man uns aus
Sicherheitsgründen geraten.
Das Ziel war mein Netz. Dort rollte ich wie fast jeden Morgen meine
Yogamatte auf den Holzplanken in der Mitte des Netzes aus. Meine Stunde! Wir ankerten
allein in einer ruhigen Bucht. Ich lieà mich auf meiner Matte im Schneidersitz
nieder und fing an zu meditieren, konzentrierte mich auf meinen Atem. Einatmen.
Ausatmen. Nach einer Weile fing ich an, das Mantra So Hum auf meine Atmung abzustimmen.
Zehn, vielleicht fünfzehn Minuten genoss ich einfach nur die Stille.
Sammelte mich. Ãffnete meinen Geist. Nichts zu denken ist nicht leicht, selbst
nach einiger Ãbung im Meditieren.
Jeden Gedanken fing ich ein, bevor er sich in meinem Kopf
breitmachen konnte, und so brachte ich mich in den Moment zurück. Nicht in die
Vergangenheit, nicht in die Zukunft, sondern ins Hier und Jetzt. Körper, Geist
und Seele waren im Einklang â und wo konnte dieses Erlebnis schöner sein als
auf der Baju , inmitten der Natur?
Ich machte ein paar leichte Ãbungen, um mich zu dehnen, und spürte,
wie sich meine Wirbelsäule zu erwärmen begann. Dann machte ich, wie jeden
Morgen, den SonnengruÃ, eine Abfolge von Yogaübungen im Fluss mit der Atmung.
Während ich schlieÃlich ausgestreckt auf dem Rücken lag, in meiner
Endentspannung Shavasana , hatte ich die Augen
geschlossen. Plötzlich spürte ich Sonnenstrahlen auf meiner Haut, die Sonne
musste inzwischen aufgegangen sein. Bestimmt hatte ich über eine Stunde auf
meiner Matte zugebracht, auf meinem schwimmenden Yogastudio.
Ich fühlte mich entspannt, hatte losgelassen, nahm die Energie wahr,
die durch meinen Körper floss. Langsam erhob ich mich, rollte meine Matte
zusammen und lief zurück zum Cockpit. Kaffeeduft! Stefan war also schon wach
und hatte Kaffee gekocht. Trotzdem folgte ich zuerst meinem täglichen Ritual,
zog meine Sachen aus und sprang ins Wasser.
»Hey, ich komme auch!«
Das war Stefan, der mir nachsprang. Wir schwammen zueinander und
gaben uns im Meer einen Gutenmorgenkuss. Schöner konnte kein Tag beginnen.
Als sich der Wind legte, kam die Zeit zum Schnorcheln. Ich
konnte ohne Neoprenanzug und Lycra-Shirt eintauchen. Das Wasser hatte an der
Oberfläche über dreiÃig Grad Celsius, selbst in einer Tiefe von drei bis vier
Metern war es kaum zwei Grad kühler.
Die besten Schnorchelgebiete waren neben den Cayes das 320Â Kilometer
lange AuÃen- und Innenriff. GröÃer als dieses Riff ist nur das berühmte Great
Barrier Reef an der Ostküste Australiens.
Beim Schnorcheln in dem wellenlosen flachen Wasser sahen wir
unzählige Korallenarten, die von einer intakten Unterwasserwelt zeugten.
Gefleckte Adlerrochen mit ihren riesigen Schwingen und dem peitschenartigen
Schwanz schwammen im seichten Wasser bis zum Strand. Es gab Ammenhaie, Riffhaie.
Das Schorcheln hatte Lust auf mehr gemacht, und ich wollte auf
Tauchstation gehen, aber Stefan musste noch den Vergaser reparieren und meinte
zudem, dass am Mittag beim höchsten Sonnenstand noch bessere Lichtverhältnisse
zum Tauchen herrschen würden. Also beschloss ich, die Zeit zu nutzen, um
Joghurt anzusetzen.
Während sich Stefan die Arbeitsklamotten anzog, mischte ich das
Milchpulver mit unserem Trinkwasser und erwärmte alles auf 40 bis 42 Grad.
Anhand eines Thermometers konnte ich genau ablesen, wann es Zeit war, die
Joghurtkultur unterzumischen. Es war
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