Bleakhouse
war, fragte
mich
, ob er recht habe. –
»Rick erwirbt sich vielleicht dadurch die Eigenschaft, die ihm zu den vielen guten, die er schon hat, noch fehlt«, sagte Mr. Jarndyce und wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich habe Ada nichts gesagt, Esther. Hat sie doch ihre Freundin und Beraterin stets bei sich.« Und er legte die Hand liebevoll auf mein Haupt. Ich konnte meine Rührung nicht verbergen, obgleich ich mein möglichstes tat.
»Still, still!« sagte er. »Aber wir müssen auch Sorge tragen, daß das Leben unsres kleinen Mütterchens nicht ganz allein von der Sorge um andre ausgefüllt wird.«
»Sorge? Aber lieber Vormund, ich glaube, ich bin das glücklichste Geschöpf unter der Sonne.«
»Ich glaube das auch«, sagte er, »aber jemand findet vielleicht, was Esther niemals tun wird, daß man an das kleine Mütterchen vor allen andern Menschen denken muß.«
Ich habe früher zu erwähnen vergessen, daß noch jemand bei dem Familiendiner zu Gaste war. Es war keine Dame. Es war ein Herr. Ein Herr von dunkelm Teint und schwarzem Haar – ein junger Chirurg. Er war ein wenig reserviert, schien mir aber ein sehr gescheiter und angenehmer Mensch zu sein. Wenigstens fragte mich Ada, ob ich nicht dieser Meinung sei, und ich bejahte.
14. Kapitel
Anstand
Richard verließ uns schon am nächsten Abend, um seine neue Lebenslaufbahn anzutreten, und empfahl Ada vertrauensvoll meiner Obhut. Es rührte mich damals und rührt mich noch jetzt, wenn ich zurückdenke, wie sie selbst in jener ihr gesamtes Denken in Anspruch nehmenden Zeit meiner gedachten. Ich spielte eine Rolle in allen ihren Plänen für Gegenwart und Zukunft. Ich sollte Richard jede Woche getreulich über Ada berichten, die ihm jeden zweiten Tag zu schreiben versprach. Er wollte mich von allen seinen Erfolgen und Studien eigenhändig unterrichten; ich sollte sehen, wie entschlossen und ausdauernd er sei, sollte Adas Brautjungfer sein, wenn sie heirateten, später bei ihnen wohnen, alle Schlüssel im Hause bekommen, und sie wollten mich ganz und gar und auf ewig glücklich machen.
»Und wenn wir durch den Prozeß reich werden sollten, Esther, was doch sein kann...« fing Richard an, um seinen Luftschlössern die Krone aufzusetzen.
Ein Schatten flog über Adas Gesicht.
»Liebste Ada«, unterbrach sich Richard, »warum nicht?«
»Es wäre besser, der Prozeß erklärte uns gleich für arm«, meinte Ada.
»Oh, das weiß ich nun gerade nicht«, entgegnete Richard. »Aber jedenfalls wird er nichts gleich erklären. Er hat, Gott weiß, seit wieviel Jahren, überhaupt nichts erklärt.«
»Nur zu wahr«, sagte Ada.
»Ja, aber«, wendete Richard ein und sah ihr mehr in die Augen, als er auf ihre Worte hörte, »je länger er dauert, liebe Kusine, desto näher muß er seinem Ende sein. Ist das nicht ganz vernünftig?«
»Du mußt das am besten wissen, Richard. Aber ich fürchte, wenn wir auf den Prozeß bauen, macht er uns unglücklich.«
»Aber liebe Ada, wir bauen doch gar nicht darauf!« rief Richard fröhlich. »Wir sagen nur, wenn er uns reich machen sollte, haben wir nichts dagegen. Das Gericht ist durch feierlichen Richterspruch unser gestrenger alter Vormund, und wir müssen denken, daß das, was er uns zuspricht – wenn er uns überhaupt etwas zuspricht –, eigentlich unser gutes Recht ist. Wir haben nicht nötig, uns mit unserm Recht herumzuzanken.«
»Nein, aber es ist vielleicht besser, wir vergessen die Sache ganz und gar.«
»Also gut! Dann wollen wir sie ganz und gar vergessen. Begraben wir die ganze Geschichte. Mütterchen macht ein billigendes Gesicht dazu, und die Sache ist abgetan.«
»Mütterchens billigendes Gesicht«, sagte ich und blickte aus dem Koffer auf, in den ich seine Bücher einpackte, »war gar nicht sichtbar; aber sie billigt es und meint, es sei wirklich das beste so.«
»Also, die Sache ist abgemacht«, sagte Richard, begann aber sofort wieder auf ganz demselben Thema soviel Luftschlösser zu bauen, daß man die chinesische Mauer damit hätte besetzen können. Er schied von uns in zuversichtlicher Stimmung. Ada und ich, darauf gefaßt, ihn sehr zu vermissen, lenkten damit in eine wesentlich ruhigere Lebenslaufbahn ein.
Bei unsrer Ankunft in London hatten wir mit Mr. Jarndyce Mrs. Jellyby aufgesucht, sie aber nicht zu Hause getroffen. Sie war ausgegangen, zu einem Tee, und hatte Miß Jellyby mitgenommen. Es sollten dort verschiedne Reden gehalten und viele Briefe geschrieben werden über die Hauptvorzüge der
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