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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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geschickt habe. Die Tür der gegenüberliegenden Stube ging jetzt auf, und ich hörte einige Stimmen, die mir bekannt vorkamen, aber sogleich verstummten. Ein rascher leichter Schritt näherte sich dem Zimmer, in dem ich wartete, und wer stand vor mir?
    Richard!
    »Meine liebe Esther!« rief er. »Meine Herzensfreundin!«
    Er war so zärtlich und innig, daß ich in der ersten Überraschung, erfreut über seine brüderliche Begrüßung, kaum Atem genug finden konnte, ihm zu sagen, daß sich Ada wohl befinde.
    »Sie erraten immer meine innersten Gedanken – sind immer dasselbe liebe Mädchen.« Er führte mich zu einem Stuhl und setzte sich neben mich.
    Ich schlug meinen Schleier ein wenig zurück.
    »Immer dasselbe liebe Mädchen«, wiederholte er genau so herzlich wie vorhin.
    Ich schlug den Schleier ganz zurück, legte meine Hand auf seinen Arm, sah ihn an und sagte ihm, wie dankbar ich ihm für sein freundliches Willkommen sei und wie sehr es mich freue, ihn wiederzusehen; –innerlich froh auch wegen des in meiner Krankheit gefaßten Entschlusses, den ich ihm sogleich mitteilte.
    »Meine Liebe«, sagte Richard, »auch für mich gibt es niemanden, mit dem es mich mehr zu sprechen verlangte, als Sie, denn ich möchte, daß Sie mich ganz verstehen.«
    »Und ich möchte, Richard«, sagte ich und schüttelte den Kopf, »daß Sie vor allem noch eine andre Person verstehen lernten.«
    »Da Sie so direkt auf John Jarndyce anzuspielen scheinen«, sagte Richard, »kann ich wohl annehmen, daß Sie niemand anderen meinen?«
    »Natürlich meine ich ihn.«
    »Dann kann ich gleich sagen, daß mich das freut, denn gerade in dieser Hinsicht liegt es mir am meisten am Herzen, verstanden zu werden. Von Ihnen, verstehen Sie recht: von Ihnen, liebe Esther. Mr. Jarndyce oder Mr. Sonstjemand bin ich keine Rechenschaft schuldig.«
    Es schmerzte mich, daß er diesen Ton anschlug, und äußerte mich in diesem Sinne.
    »Gut, gut, liebe Esther. Wir wollen davon jetzt nicht weiter sprechen«, sagte Richard. »Ich möchte mit Ihnen am Arm in Ihrem Landhaus hier erscheinen und meine reizende Kusine überraschen. Ich hoffe, Ihre Gewissenhaftigkeit John Jarndyce gegenüber verbietet Ihnen das nicht?«
    »Lieber Richard, Sie wissen, Sie würden in seinem eignen Haus ebenso herzlich willkommen sein. Es würde Ihnen ein Vaterhaus sein, wenn Sie es nur so betrachten wollten. Und Sie sind hier wie dort gleich herzlich willkommen.«
    »Sie sprechen wie die beste aller kleinen Hausfrauen!« rief Richard heiter.
    Ich fragte ihn, wie ihm sein neuer Beruf gefalle.
    »Ganz gut, danke«, sagte er. »Nichts auszusetzen. Vorderhand ist er so gut wie jeder andre. Ich weiß nicht, ob ich mich sehr um ihn kümmern werde, wenn ich erst einmal im reinen bin, aber dann kann ich ja mein Patent verkaufen und... Aber sprechen wir jetzt nicht von dem ganzen Trödel.«
    So jung und schön, in jeder Hinsicht so das vollkommene Gegenteil von Miß Flite und doch ihr so schrecklich ähnlich, als jetzt ein gequälter, von Ungeduld verzehrter Ausdruck sein Gesicht überflog.
    »Ich bin soeben auf Urlaub in London, Esther.«
    »Nein, wirklich?«
    »Ja! Ich bin herübergereist wegen meiner – Kanzleigerichtsangelegenheit, ehe die langen Ferien anfangen, um nachzusehen, wie sie steht«, sagte Richard mit einem gezwungen unbefangnen Lächeln. »Ich versichere Ihnen, wir fangen jetzt wirklich an, mit dem langwierigen Prozeß vorwärts zu kommen.«
    Ich schüttelte bedenklich den Kopf.
    »Sie meinen, es ist kein angenehmes Gesprächsthema?« Wieder flog derselbe Schatten wie vorhin über sein Gesicht. »Wir wollen für heute abend die Sache ganz und gar fallen lassen... Weg damit. Wen, denken Sie wohl, habe ich mitgebracht?«
    »War das Mr. Skimpoles Stimme vorhin?«
    »Erraten! Das ist der richtige Mann für mich! Er tut mir wohler als jeder andre Mensch. Was für ein bezauberndes Kind er doch ist.«
    Ich fragte Richard, ob jemand wisse, daß sie beide zusammen hierhergereist wären.
    »Nein, niemand.« Richard hätte einen Besuch bei dem lieben alten Knaben gemacht – so nannte er Mr. Skimpole –, und der »liebe alte Knabe« hätte ihm unsern Aufenthalt mitgeteilt, es sich in den Kopf gesetzt, uns zu besuchen, und Lust bekommen, ihn zu begleiten, und so sei er denn hier.
    »Er ist – ohne die nicht unbedeutenden Kosten, die er einem macht, einzubeziehen – dreifach sein Gewicht in Gold wert. Er ist so ein fideler Kerl. Kein Funken Eigennutz in ihm. Ein frisches

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