Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
setzte mich auf und sah mich um. Der Weg gabelte sich um zwei zweckmäßige Grabsteine, die nah beieinander standen. Im Licht einer Laterne, die etwas entfernt von mir stand, konnte ich gerade so die Inschrift lesen: Richard und Mary Price. Meine Großeltern. Ich war am Familiengrab, ging man davon aus, dass mich Rosalee hier mit dem Rest ihrer Familie beerdigen und nicht in einer Holzkiste zurück zu Tante Ulla schicken würde.
Ich sprang auf die Füße, schüttelte meinen verbliebenen Stiefel ab und kämpfte mich mit nackten Füßen und Beinen durch Matsch und Grabsteine zur Straße. Lamartine. Meine Straße.
Ich war auf Autopilot, als ich nach Hause ging, und stand dann in dem leeren Haus, durchnässt und vor Kälte bebend, aber lebendig. Und immer noch mit einem Grund zu leben.
Ein dumpfer Schlag kam aus dem unteren Badezimmer und ließ mich fast aus der Haut fahren, aber dann fiel mir Schwänin wieder ein und dass ich sie eingesperrt hatte. Ich rannte zur Tür, um sie rauszulassen, und wurde mit einer Reihe scharfer, harter Schnabelschläge gegen meine Knie belohnt. »Au!«
Ich konnte nicht glauben, dass ich gedacht hatte, ich würde sie schwach und blutig und halbtot vorfinden. Ihr Flügel war perfekt verheilt, und Schwänin war alles andere als schwach. Die Flügel schlugen gegen meinen Kopf, und ich fühlte mich, als sei ich gerade in einer Kissenschlacht auf der Verliererseite.
»Es tut mir leid!«, kreischte ich und hob die Arme, um mich zu schützen. »Ich hab’s doch gar nicht wirklich getan! Schau.« Ich zeigte ihr meine unverletzten Arme, und das überzeugte sie. Schwänin hörte auf, nach mir zu schlagen.
Sie landete auf dem Badezimmerboden und plusterte sich schlecht gelaunt auf.
Ich ließ mich neben sie fallen, kniete in einer fast getrockneten Blutlache und liebkoste sie. Sie war weich und warm. Es machte immer viel mehr Spaß mit ihr, wenn sie nicht aus Holz war. »Ich verdiene dich nicht, ich weiß es.« Ich untersuchte den Flügel, auf den ich eingestochen hatte, um sicherzustellen, dass sie nicht mehr verletzt war. Dann beugte ich meinen Kopf zu dem von Schwänin, sodass wir Nase an Schnabel waren. »Ich weiß, es nervt, wenn man auf jemanden wie mich aufpassen muss, aber Karma ist eine gemeine Drecksau, meine Kleine. Jetzt merke ich endlich mal, wie man sich fühlt, wenn man versucht, jemanden vor sich selbst zu retten.«
Dann mal viel Glück.
»Poppa?« Ich sah mich in dem zerstörten Badezimmer um, dann ging ich auf den Flur.
»Wo bist du?«
In deinem Zimmer. Da unten ist mir zu viel Blut.
Ich hob Schwänin auf, streichelte ihren langen Hals, und auf dem Weg zur Treppe sah ich mir die Wände an. Ich fand, dass Poppa in seinem eigenen Interesse viel zu zimperlich war. Die Blutschlieren waren recht hübsch, eher künstlerisch als blutrünstig.
In meinem Zimmer setzte ich Schwänin wieder auf das oberste Regal, verbeugte mich vor ihr und wandte mich Poppa zu, der auf meinem Bett auf seiner linken Seite lag. Sein Kopf ruhte auf meinem Kissen. So, wie er dalag, konnte man gar nicht sehen, dass sein Gesicht ganz zerfetzt war.
»Mein Leben ist ruiniert, und du lümmelst dich im Bett rum. Unglaublich.«
Ich streifte meine nassen Kleider im Bad ab und zog einen lila Frotteebademantel an.
»Ich mag es, mich von den Worten durchdringen zu lassen«, sagte Poppa, als ich aus dem Bad kam. »Auch, wenn sie sie nicht für mich gestickt hat.«
Ich scharrte mein nasses Haar zu einem Dutt zusammen. »Wovon redest du?«
Er setzte sich auf und schob den Kissenbezug zurück, um mir zu zeigen, was Rosalee auf mein Kissen gestickt hatte: »Ich liebe dich auch.«
Ich nahm das Kissen und hielt es nah vor mein Gesicht, um die winzigen lilafarbenen Stiche anzusehen. Lila. Mir fiel ein, wie das Wort in das Herz am Fountain Square gebrannt gewesen war. Hatte sie es in all die Herzen eingebrannt? Hatte sie es den Holzfiguren unmöglich gemacht, mich zu verletzen?
Ich drückte das Kissen an mein eigenes Herz. Poppa hatte recht, die Worte schienen mich zu durchdringen, das Wissen, dass sie mich doch liebte und dass die Zeit, die wir miteinander verbracht hatten, keine Lüge gewesen war.
»Ist sie noch in Portero?«
»Ja. In Runyons Haus. In Nightshade.«
Ich strich mit meiner Wange über die Stiche. »Was ist Nightshade?«
»Eine Straße in der Unterstadt – auf der Dunkelseite, wo alle Mortmaine leben.«
Wo die Mortmaine lebten und wo der ganze seltsame Scheiß passierte. Großartig. Aber
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