Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
zu ficken. Ich sagte ihnen: von meinem Vater. Er hat mir einen lebenslangen Vorrat an großartigen Ideen gegeben mit all seinen Fragen.«
Ihr zuzuhören war wie ein freier Fall durch Schleim, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie sich fühlen musste. Ich hätte ihre Hand genommen, aber sie versteckte sie immer noch.
»Dein Vater … hat er dich missbraucht?«
»Nein«, sagte sie, und ihre Stimme klang erschreckend wehmütig. »Vielleicht hätte er es tun sollen. Vielleicht hätte er mich dann nicht mehr so sehr gehasst. Aber auf diese Art hat er mich nicht gewollt. Er wollte nicht, dass mich irgendjemand auf diese Art wollte. Ich musste mich wegschleichen, wenn ich mit jemandem zusammen sein wollte, und ich wurde jedes Mal erwischt.«
Sie zitterte, und trotz der Hitze bekam sie eine Gänsehaut. »Ich dachte, es würde so großartig werden, wenn ich erst einmal aus diesem Haus raus wäre, aber es fühlt sich immer noch so an, als wäre ich allein in dem Hinterzimmer gefangen und …«
Ich stellte mich vor sie und blockierte ihren Blick auf das Haus – den Blick des Hauses auf sie. »Du bist nicht mehr allein. Du bist nicht gefangen. Oder muss ich das Haus abbrennen, um es dir zu beweisen?«
Sie war so erschrocken, dass sie ihre Hände fallen ließ. »Das ist doch verrückt.«
»Ich bin verrückt. Das ist es doch, ich habe eine perfekte Ausrede.«
Der Gedanke an Feuer taute die Kälte, die sich über ihr Gesicht gelegt hatte, und entzündete das dunkle Öl in ihren Augen. » Würdest du es abbrennen?«
»Hast du Streichhölzer?« Ihr Interesse stachelte mich an. »Wenn es das ist, was es braucht, werde ich es tun.«
Sie wollte , dass ich es tat. Ich konnte es ihr ansehen. Frag mich doch.
Frag mich!
Sie öffnete den Mund. Ich war auf alles gefasst, nur nicht auf die schrille Stimme, die uns unterbrach.
»Hey! Rosalee! Bist du das?«
Eine Frau, die aussah wie ein trockener Ast, stand auf der Veranda des Hauses neben Rosalees Elternhaus. Sie hatte eine unfassbare Alte-Frauen-Frisur: rechts einen Scheitel, und das Haar in einen komischen weißen Haarturm zur Seite gezogen.
»Hey, Miss Holly.« Rosalee wirkte wieder ganz ausgeglichen. Die feurige Begeisterung für den Brandanschlag wich von ihr. Ihre Hände ruhten leicht auf ihren Hüften. »Wir haben uns ja lange nicht gesehen.« Sie klang darüber nicht enttäuscht.
Miss Holly schob ihre Brille hoch, um mich besser sehen zu können. »Ist das die Tochter, von der ich gehört hab?«
»Ja, Mam.«
»Sie ist so hübsch, genau wie du. Hoffentlich sieht sie nur so aus wie du. Oder rennt sie wild durch die Straßen wie du damals?« Zu mir sagte Miss Holly: »Über die da könnt ich dir Geschichten erzählen …«
»Nacht, Miss Holly«, sagte Rosalee, fröhlich und gemein zugleich. »Grüßen Sie Ihren Sohn. Und Ihren Mann.«
»Ich … okay.«
Wir gingen denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. »Ich vermute mal, wir werden ihr keine Weihnachtskarte schicken«, sagte ich.
Rosalee warf einen bitterbösen Blick über ihre Schulter auf Miss Holly. »Sie hat mich immer an meine Eltern verpetzt.«
»Also hast du’s ihr heimgezahlt und mit ihrem Sohn und ihrem Mann geschlafen.«
Rosalees Lachen war so böse und wunderbar wie der Zahn einer Schlange. »Bin ich so durchschaubar?«
»Ich hätte es getan«, gab ich zu. »Als ich in Dallas war, nahm ich mir vor, mit allen Jungs in meiner Klasse in alphabetischer Reihenfolge zu schlafen, und sie machten mit. Es ist genau, wie du gesagt hast – es ist einfach, Männer zu faszinieren.«
Sie sah mich an, teils schockiert und teils amüsiert. »Du hast mit allen Jungs in deiner Klasse geschlafen?«
»Ich bin nicht mal bis B gekommen«, sagte ich und schwang die Tüte mit den Pfirsichen. »Zu viele As für mich armes kleines Ding. Nach Armbruster wurde mir langweilig, und ich ließ es bleiben.«
»Du bist definitiv meine Tochter«, sagte Rosalee und kicherte. Die Leute um uns herum brachen ihre Gespräche mitten im Satz ab und staunten über den Klang ihres Lachens.
Ich wollte so dringend etwas für sie verbrennen, dass mir ganz schlecht davon wurde. Ich wollte ihr sagen, dass ich alles für sie tun würde. Aber mein Herz war zu voll. Ich konnte nicht sprechen.
Ich war ihre Tochter.
Definitiv.
25
Am Mittwoch versuchte ich den ganzen Tag, nicht an meinen Besuch bei der Therapeutin zu denken, aber nach der Schule, als ich es nicht länger vermeiden konnte, fing ich an zu zittern. Ich ließ mich von
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