Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
seltsames iiiiii-Geräusch in seinem Hals, das ich zum Totlachen fand.
Rosalee schob sich ihr Haar aus dem Gesicht und lächelte mich an. »Willst du mir helfen?«
Ich lächelte zurück. »Ich will niemandem wehtun.«
»Nur mir und deiner Tante?«
»Es ist leicht, Leute zu verletzten, die man liebt.«
»Ist es das? Ich könnte dir das nie antun.« Rosalee presste ihre Finger so fest in das Gesicht des Jungen, dass seine Haut so weiß wie Papier wurde. Wenn sie ihn jemals loslassen würde, hätte er noch jahrelang ihren Handabdruck auf dem Gesicht.
»Warum tust du ihm so weh?«
»Weil Runyon will, dass er gezeichnet ist. Und weil es Spaß macht.« Sie lachte. »Sicher, dass du nicht mitmachen willst?«
Ich schüttelte kichernd den Kopf.
Rosalee mokierte sich darüber, dass ich so zimperlich war. »Kannst du wenigstens etwas gegen seine Erektion machen? Die lenkt mich höllisch ab.«
Ich lachte so sehr, dass ich wegkriechen und mich im hohen Gras am Seeufer übergeben musste, sehr zur Überraschung einiger Grillen.
Ich ließ mich auf dem kalten Boden auf den Rücken fallen und lachte, bis ich weinte. Hoffnung brodelte in mir. Wenn ein Junge seine Erektion halten konnte, während er gefoltert wurde, dann konnte ich an meiner Liebe zu Rosalee festhalten.
Ganz egal, was sie tat.
29
Ich erwachte in pinkfarbenem Dämmerlicht. Es war ein zartes Licht, aber trotzdem stach es in meinen Augen, und mein Kopf drohte zu zerspringen. Ich vergrub mein Gesicht im Kissen, aber es war ekelhaft klebrig. Klebrige rote Schlieren waren darauf. Klebrige roten Schlieren waren überall: auf meinen Händen, meinen Decken. Der tote Junge auf meinem …
Ich sprang aus dem Bett, zog die Decken mit mir und legte die Leiche frei.
Ich erinnerte mich an den Jungen vom See, an seine Pickel. Es waren noch immer die Glyphen zu sehen, die Rosalee ihm auf die Stirn geritzt hatte – winzige, präzise Formen wie Ketten. Ich erinnerte mich an seine Qualen, wie er gekämpft hatte, aber ich erinnerte mich nicht daran, dass der Junge keine Arme hatte.
Ein Lachen erschreckte mich.
Ich fuhr herum, und obwohl Rosalee nackt in meinem pflaumenfarbenen Lesesessel am anderen Ende des Raums saß, war es Runyon, der mich kichernd ansah, die blauen Augen voller Spott.
»Momma!«
Sie blinzelte, und schon war er weg. Sie sah sich verwirrt in meinem Zimmer um. »Oh … guten Morgen …«
Ich kroch zu ihr, als würde mich ein zu harter Schritt in eine Million Teile zerschmettern. Ich deutete zu dem Jungen in meinem Bett. »Ist das gut?«
Aber sie starrte schon auf ihn und zog an ihrem roten Armband. Sie schien mir grauenerregend. Unerkennbar. Das Schlimmste aber war, wie sehr sie mich an mich erinnerte.
»Was ist am See passiert?«
Rosalee erklärte, fing an und setzte wieder ab, hörte zu, erzählte mir eine Geschichte, die sie auch zum ersten Mal hörte.
»Runyon brauchte jemanden, der den SCHLÜSSEL holt. Also brachte er mich dazu, bestimmte Glyphen auf die Stirn des Jungen zu ritzen, damit der alles tat, was man ihm sagte. Als Runyon ihn anwies, den SCHLÜSSEL von der Tür der Ortigas abzureißen, hatte er keine andere Wahl, als es immer und immer wieder zu versuchen. Bis er sich die Arme abriss. Es hat wirklich lange gedauert, aber nachdem er sich die Schultern ausgekugelt hatte, rissen sie einfach ab, wie die Keulen von einem Huhn. Aber der SCHLÜSSEL bewegte sich kein Stück.«
Ich versuchte mir vorzustellen, wie viel Kraft und Anstrengung es den Jungen gekostet haben musste, sich von seinen eigenen Armen loszureißen. »Warum kann ich mich nicht erinnern an etwas, das so …« Der Horror ließ meine Stimme ersterben.
»Du bist am See ohnmächtig geworden«, sagte Rosalee. »Das ist danach passiert.« Sie lächelte freudlos. »Das mit den Freudentränen war eine schlechte Idee, glaube ich.«
»Glaubst du? Warum ist er in meinem Bett ?«
Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht, und Scham machte sich breit. »Runyon dachte, das wäre … lustig.«
»Dachtest du , es wäre lustig?«
Rosalee zog so fest an ihrem Armband, dass der Schlüssel abging. »Nein.«
»Aber du hast ihn gelassen.«
»Er wollte dich benutzen«, sagte sie und fummelte herum, um den Schlüssel wieder zu befestigen, damit sie mich nicht ansehen musste. »Er wollte dich benutzen, die Glyphen in dich ritzen. Weil es einfacher gewesen wäre. Ich bin ihm so lange auf die Nerven gegangen, bis er einverstanden war, jemand anderen zu suchen.«
»Soll ich dir jetzt gratulieren?
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