Bleep - oder wie man Spiritualität mit 3 Whisky-Cola verbindet
anschaut, stellt man erstaunt fest, dass es mit der Gewaltlosigkeit – für die sich der Dalai Lama heute so sehr einsetzt, was ihm höchste internationale Anerkennungen wie den Friedensnobelpreis eingebracht hat – oft wohl nicht so weit her gewesen sein kann. Karmapas haben Dalai Lamas, die zur Gelugpa-Schule der Gelbmützen gehören, umbringen lassen, Dalai Lamas haben Karmapas, die zur Kagyü-Schule der Schwarzmützen gehören, umbringen lassen. Abgesehen von den manchmal in nackte Gewalt ausartenden Konkurrenzkämpfen und dem Machtstreben zwischen den einzelnen Schulen des tibetischen Buddhismus herrschten im alten Tibet auch sonst alles andere als paradiesische Zustände: Es gab Leibeigenschaft, Frondienste, Unterdrückung, Hungersnöte, der Grund und Boden befand sich in der Hand von wenigen Adeligen und Klöstern, die medizinische Versorgung war quasi nicht existent.
Da zeichnet es den jetzigen, den 14. Dalai Lama besonders aus, dass er nicht nur vehement für politische Reformen eintritt, sondern auch konsequent auf der Gewaltlosigkeit beharrt – was besonders bei vielen jungen Tibetern gar nicht gut ankommt. Er geht nämlich so weit, dass er trotz der unbeschreiblichen Gräueltaten, die die Chinesen in Tibet verüben, immer wieder zum Gewaltverzicht aufruft und immer wieder darauf hinweist, dass eine Lösung der Tibet-Frage nur im Dialog mit den Chinesen und auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und Verständnisses möglich sein wird.
Aber unter den Exiltibetern gärt es. Wir haben das in Dharamsala sehr gut bemerkt, denn an jeder Straßenecke hingen Plakate, auf denen zum bewaffneten Widerstand aufgerufen wurde. Und der Aufstand, der 2008 in Lhasa ausbrach, machte wieder einmal deutlich, wie verzweifelt die Lage der Tibeter in Tibet selbst ist. Obwohl der Dalai Lama mittlerweile klar gesagt hat, dass die chinesische Führung den Buddhismus in Tibet auslöschen will, bleibt er aber weiterhin dialogbereit und besteht noch immer auf völliger Gewaltlosigkeit.
Der Dalai Lama versucht den Buddhismus, wie er in den alten Schriften formuliert wurde, konsequent auch unter den widrigsten Umständen umzusetzen, weil er anscheinend fest daran glaubt, dass die Tibeter eines Tages – vermutlich in ferner Zukunft – wieder in ihr Land zurückkehren können.
Da stellt sich mir allerdings die Frage, wer denn eigentlich zurückgehen möchte. Ich kenne sehr viele Tibeter in der Schweiz, mit denen ich durch die Arbeit am Toni-Hagen-Film in Kontakt gekommen bin, die bereits in der Schweiz geboren worden sind und unter anderem bei Banken, Versicherungen oder großen Konzernen arbeiten. Als ich sie fragte, ob sie denn nach Tibet zurückgehen würden, haben alle mit »Nein« geantwortet. Sie haben sich mittlerweile so an das Leben hier gewöhnt und sich so sehr in die westliche Gesellschaft integriert, dass sie sich nicht vorstellen können, in Tibet zu leben.
Die Mönche und einige aus der älteren Generation, die 1960 als Flüchtlinge in die Schweiz kamen, wo sie herzlich aufgenommen wurden, würden vermutlich nach Tibet zurückkehren, aber die normalen Leute wohl eher nicht. Ich frage mich manchmal, ob der Wunsch nach Rückkehr nicht vollkommen illusorisch ist und ob der Dalai Lama nicht an etwas festhält, was völlig unrealistisch ist.
Um noch einmal auf das Thema Karma zurückzukommen: Was für Ursachen müssen die Tibeter gelegt haben, dass ihnen diese (nach dem Gesetz des Karma) Auswirkungen widerfahren sind, sie aus ihrem Heimatland vertrieben wurden, heute noch gepeinigt und gefoltert werden und im eigenen Land nur noch eine Minderheit darstellen? Was haben die Tibeter in früheren Leben getan, dass sie ihr Karma nun auf diese Weise ausgleichen müssen und alle Welt zwar großes Mitgefühl empfindet, aber nur ohnmächtig zuschaut?
Bekannt ist, dass die Tibeter früher sehr kriegerisch waren, dass die Chinesen ihnen tributpflichtig waren und dass im Jahre 758 tibetische Truppen sogar vor der damaligen chinesischen Hauptstadt Chang’an (das heutige Xi’an) standen. Die sehr geschichtsbewussten Chinesen haben diese Demütigung sicher nie vergessen. Durch den Buddhismus, der übrigens maßgeblich durch eine chinesische Prinzessin, die als Zeichen des guten Willens des chinesischen Kaisers dem tibetischen König zur Zweitfrau gegeben wurde, in Tibet verbreitet wurde, wandelte sich ein einst kriegerisches Volk zu einem friedliebenden.
Was ziemlich sicher gesagt werden kann, ist, dass sich der Buddhismus
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