Bleep - oder wie man Spiritualität mit 3 Whisky-Cola verbindet
Kreuzungen dieses Weges entscheiden, in welche Richtung ich weitergehen will, ich darf Fehler machen, ich darf Umwege gehen, ich darf auch mal wieder ein Stück zurückgehen, aber gehen muss ich! Denn jeder Schritt, den ich gehe, bringt mich mir selbst ein Stückchen näher. Sobald ich den ersten Schritt tue, entsteht eine gewisse Dynamik, die mich weiterbringt.
Was an der nächsten Ecke auf mich wartet, weiß ich nicht. Welchen Weg ich einschlagen soll, wenn ich an eine Kreuzung komme, weiß ich nicht. Nur sehr wenige von uns sind Hellseher, die meisten lernen durch Versuch und Irrtum. Lernen können wir aber nur, wenn wir uns auf den Weg machen und Entscheidungen treffen. Und je eher wir das tun, desto besser.
Alle sagen, ich sei erleuchtet
Zurück zum Dalai Lama. Ich hatte mich auf die Begegnung mit ihm gut vorbereitet und in verschiedenen Interviews gelesen, dass er auf die Frage, ob er erleuchtet sei, häufig geantwortet hatte: »Alle sagen es.«
Das war sehr verwirrend für mich, da er nicht wie die unzähligen Neu-Erleuchteten, die es heute an jeder Ecke gibt, gesagt hatte: »Ja, ich bin erleuchtet«, sondern: »Alle sagen es.« Aus dieser Aussage habe ich geschlossen, dass dem Dalai Lama das Wort »Erleuchtung« eigentlich nicht so recht behagt – vielleicht weil er den Zustand, in dem er sich befindet, lieber nicht definieren möchte.
Ich weiß, dass der Dalai Lama etwa drei bis vier Stunden pro Nacht schläft, nämlich von Mitternacht bis circa drei Uhr, dass er dann bis halb sieben Uhr meditiert, danach eigene Studien betreibt und tagsüber einen Termin nach dem anderen hat. Ich sehe auch, dass er mit seinen 75 Jahren sehr fit und gesund aussieht. Das zeigt mir, dass ihn das Leben, das er führt und das voller Stress und Termine ist, wohl erfüllen muss. Daraus folgere ich, dass seine Art des Denkens und seine Art des Handelns wohl nicht die schlechteste sein kann und anscheinend sehr positive Auswirkungen hat.
Als ich dann erfuhr, dass der Dalai Lama erkrankt war und ins Krankenhaus musste, war mein erster Gedanke: »Halt! Wie kann das sein? Der Mann ist doch erleuchtet, er meditiert regelmäßig und achtet auf seine Ernährung. Wie kann er da krank sein?« Ich überraschte mich selbst, als ich merkte, dass ich allen Ernstes geglaubt hatte, ein Erleuchteter dürfe niemals krank werden. Diesen Gedankengängen folgte dann aber eine große Erleichterung: »Auch Erleuchtete dürfen einmal krank werden. Es ist kein persönliches Versagen, wenn man mal krank ist. So etwas kommt selbst in den besten Familien vor.« Ufff! Ich spürte geradezu, wie mir ein Stein vom Herzen fiel, als ich wieder eine meiner alten Vorstellungen über Bord werfen konnte.
Ein Grund, warum der Dalai Lama manchmal krank wird, könnte wohl darin bestehen, dass er in politischen Zusammenhängen gefangen ist, die ihm überhaupt nicht zusagen. Aber aufgrund seines Verantwortungsgefühls für das spirituelle und physische Wohlergehen der Tibeter kann er sich dem nicht entziehen. Er kann nicht – wie es in der spirituellen Szene so oft heißt – einfach loslassen und das tun, was ihm mehr Freude macht. Es gibt für jeden von uns Dinge, die wir nicht loslassen können, weil wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen und weil wir durch diese Auseinandersetzung wachsen können – dazu gehören zum Beispiel Familie, Mutter, Vater, Kinder. Wir sind nun einmal mit ihnen verbunden, ob es uns passt oder nicht. Wir können uns äußerlich von ihnen trennen, aber innerlich bleiben wir ihnen doch immer verbunden.
Es gibt für jeden von uns Dinge, die wir nicht loslassen können, weil wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen und weil wir durch diese Auseinandersetzung wachsen können.
Als wir eines Abends von der tibetischen Exilregierung eingeladen wurden, musste ich zu meinem Erstaunen – und zu meiner Ernüchterung! – feststellen, dass von den acht Leuten, die uns empfangen hatten, sechs während des Essens einiges an alkoholischen Getränken in sich hin einschütteten, was in einer seeeehr »heiteren« Stimmung resultierte. Hätte es sich um eine private Feier gehandelt, wäre es noch etwas anderes gewesen, aber hier ging es ja um eine Art offiziellen Empfang. Ich hatte den starken Eindruck, dass diese Mitglieder der Exilregierung mit dem Buddhismus gar nichts am Hut hatten, sondern reine Berufspolitiker waren. Eine sehr ernüchternde Erfahrung!
Das Karma der Tibeter
Wenn man sich die Geschichte des tibetischen Buddhismus näher
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