Bleib bei mir – bleib in Sydney
schwierig, sie zu finden, geschweige denn, sie auszudrücken.
Leigh war sich Richards Wahrheit nicht sicher. Sie war sich ihrer eigenen nicht sicher ...
jedenfalls nicht, was ihn betraf. Nur eines stand für sie fest: Nach diesem ereignisreichen Nachmittag würde sie keine übereilten Urteile über ihre Familie fällen. Vielleicht war sie als Teenager ja zu sehr mit sich beschäftigt gewesen, welcher Druck auch auf ihrer Mutter und ihren Schwestern gelastet hatte. Unmöglich zu wissen, was in einem anderen Menschen wirklich vorging, wenn er es nicht offen zeigte. Schließlich hatte sie ja auch bis heute keine Ahnung gehabt, dass Richard nicht der Sohn des Mannes seiner Mutter war.
Als Richard die Tür hinter sich zumachte, blickte Leigh sich in dem dämmrigen Sommerhaus um. Auch hier hatte sich nichts verändert. Die Möbel waren ihr noch von früher vertraut. Allerdings wurde das Haus auch nur selten genutzt. Es war immer ihr Zufluchtsort gewesen, wenn sie die Spannungen in der Familie nicht mehr hatte aushalten können. Hier war sie immer ungestört gewesen.
Der ideale Ort für ein heimliches Rendezvous, dachte Leigh lächelnd. Doch dann kam ihr ein Gedanke, der sie geradezu erstarren ließ. Hatte hier vielleicht auch ihre Mutter den italienischen Gärtner ... Unwillkürlich fasste sie an ihren Bauch. Nein! Fieberhaft zählte sie die Tage seit ihrer letzten Regel. Nur sieben. Bestimmt war sie noch vor einer Schwangerschaft sicher. Sie seufzte erleichtert auf und fasste einen Entschluss. Sie würde nicht das Leben ihrer Mutter wiederholen und ein Kind nach dem anderen bekommen, in der Hoffnung auf den ersehnten Sohn. Das Geschlecht eines Kindes durfte keine Bedeutung haben, und sie würde niemals zulassen, dass es die Bedeutung bekam, die Lawrence Durant ihm beigemessen hatte. Ein Kind sollte um seiner selbst willen geliebt werden.
Gab es irgendwo in ihrer Familie noch etwas wie Liebe für sie? Sie musste einfach etwas Zeit mit ihrer Mutter und ihren Schwestern verbringen. Jetzt, da Lawrence tot war, konnte doch die Wahrheit ohne Repressalien ans Licht kommen. Und heute Abend ...
Ja, sie wollte heute Abend mit Richard zusammen sein. Er musste ihr mehr von sich entdecken, um ihr das Gefühl zu geben, dass es wirklich gut war, was heute Nachmittag zwischen ihnen geschehen war. Falls das möglich war.
5. KAPITEL
Endlich hatten die letzten Gäste die Villa verlassen ... alle, außer Richard Seymour. Zu Leighs Enttäuschung hielt ihre Mutter ihn zurück und bestand darauf, dass er noch einen Kaffee im engsten Kreis der Familie trinke. Und ihre Schwestern bedrängten ihn, bis er die Einladung annahm. Was Leigh wiederum an seinen Absichten zweifeln ließ.
Seine Worte aus dem Sommerhaus kamen ihr in den Sinn: "Wir beide gehören zusammen, Leigh. Lass dich durch nichts, was deine Mutter öder deine Schwestern sagen mögen, davon abbringen."
Blieb er vielleicht nur, um zu verhindern, dass ihre Mutter und ihre Schwestern sie gegen eine Verbindung mit ihm beeinflussten? Nachdem sie ins Haus zurückgekehrt war, hatte sie seine Nähe gemieden, denn sie wollte ihre Fassung zurückgewinnen für die Aussprache mit ihrer Familie. Und nun machte er ihr das erhoffte Beisammensein mit ihrer Mutter und ihren Schwestern zunichte. Genügte ihm ihr Versprechen nicht, mit ihm zu Abend zu essen? Oder hatte er lieber mehrere Eisen im Feuer und wollte ihre Schwestern nicht kränken, falls er sich vielleicht doch noch für eine davon entscheiden musste? Schließlich hatte er ja keine Garantie, dass sie, Leigh, in seine Pläne einwilligen würde.
Leigh versuchte, diese Gedanken zu verdrängen, während sie den anderen langsam in den kleinen Salon folgte. Egal, welche Absichten Richard verfolgte, er konnte nicht ewig bleiben.
Sie musste eben einfach noch ein wenig Geduld haben.
Keine ihrer Schwestern drehte sich zu ihr um oder sprach sie an. Leigh empfand dieses Ausgeschlossensein fast noch schlimmer als zu der Zeit, als sie noch hier gewohnt hatte. Aber lag es vielleicht5 nur an ihr, die Initiative zu ergreifen?
Sie überwand ihre Hemmungen, beschleunigte ihre Schritte und berührte Nadine am Arm, die ihr mit sechsundzwanzig dem Alter nach am nächsten war. "Können wir uns unterhalten, Nadine?" bat sie zögernd.
"Jetzt nicht, Leigh." Nadine rümpfte die Nase und warf die mit kunstvollen Strähnchen aufgehellte blonde Lockenmähne in den Nacken. "Zeugt von schlechtem Geschmack, ausgerechnet heute aufzutauchen, meinst du
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