Bleib bei mir, Greg
und gemütlich ihren Tee trinken.
„Geht es dir wirklich gut?“ fragte Fiona zweifelnd, ging zum Bett hinüber und legte die Hand auf die Stirn ihrer Tante. Sie war erleichtert, als sie feststellte, dass sie kühl war. Zumindest hatte sie kein Fieber. Im hellen Morgenlicht sah man Minnie ihre achtzig Jahre deutlich an. Feine Falten durchzogen das ganze Gesicht, aber ihre Augen waren so klar und wach wie immer. Fiona spürte, wie sehr sie ihre Tante liebte, trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer exzentrischen Art.
„Wir werden jetzt abfahren, Tante Minnie. Ich habe mich gefreut, dich wiederzusehen.“
„Du besuchst mich nicht oft genug, mein Kind. Das weißt du genauso gut wie ich.
Ich verstehe, warum du weggezogen bist. Ich vermisse Jamie und Meggie auch, aber du hattest genug Zeit, um mit ihrem Tod fertig zu werden. Ich finde, es wird Zeit, dass du wieder zurückkommst. Du nicht auch?“
Fiona ließ sich in den Sessel neben dem Bett fallen. „Irgendwas stimmt doch nicht, Tante Minnie? Warst du beim Arzt? Was hat er gesagt? Hast du irgendwelche Tests machen lassen?“ Seltsamerweise verließ Fiona bei Menschen, denen sie sehr nahe stand, oft die Fähigkeit, Krankheiten zu erkennen.
„Fiona, Liebling, außer der Tatsache, dass ich diesen Körper schon viel zu lange mit mir herumtrage, ist mit mir alles in Ordnung. Ich werde einfach schneller müde und muss mich öfters ausruhen. Deswegen bin ich noch lange nicht krank, sondern einfach nur vernünftig. Ich will nicht die Mitleidstour spielen, in der Hoffnung, dass du wieder zurückkommst, um nach mir zu schauen. Ich möchte, dass du zurückkommst, weil hier dein Zuhause und deine Familie ist. Aber jetzt habe ich doch auf dein Mitleid gesetzt. Natürlich hast du mich durchschaut.“
Fiona lachte, so wie Tante Minnie es sich gewünscht hatte.
„Was hat dein junger Mann denn für Pläne? Ich meine, außer dass er dich nach Hause fahren wird.“
„Tante Minnie, er ist nicht…“
„Das ist nur eine Redewendung. Es gibt keinen Grund, gleich so auf die Palme zu gehen.“
„Er ist unten und bucht seinen Rückflug nach New York. Er will so bald wie möglich abreisen.“
„Zu schade. Er gefällt mir.“
„Nun, ihr beide scheint euch ja einig zu sein. Du gefällst ihm nämlich auch. Er bewundert dich geradezu.“
Ein erfreuter Ausdruck trat auf das Gesicht der alten Dame. „Das beruhigt mich.
Richte ihm bitte aus, dass ich mich von ihm verabschieden will.“
Fiona hätte am liebsten die Augen verdreht, aber sie tat es nicht. „Ja, Ma’am.“
Sie beugte sich vor und küsste ihre Tante auf die Wange. „Ich hab dich sehr lieb, Tante Minnie.“
Minnie strich Fiona über die Wange. „Ich dich auch, mein Herz. Du bist ein Segen für alle, die dich kennen.“
Fiona lächelte. „Das freut mich.“ Sie straffte sich und strich über Minnies Haar.
„Ich werde Greg nach oben schicken.“
Minnie beobachtete, wie ihre Nichte den Raum verließ. Diese junge Frau war wirklich ein Segen für die Familie. Minnie wusste, dass sie ein Risiko eingegangen war, als sie Greg von dem Geheimnis, das Fionas Geburt umgab, erzählt hatte.
Aber er musste es wissen. Die Möglichkeit war groß, dass seine Klientin eine von Fionas Schwestern war. Und wenn das stimmte, so sollte Fiona wissen, dass sie noch mehr Verwandte besaß als nur eine alte, verknöcherte Frau.
Das würde eine interessante Zeit in Fionas Leben werden. Minnie bedauerte nur, dass Jamie und Meggie nicht mehr lebten, um einige Dinge erklären zu können.
Es gab so viel, was Minnie nicht wusste. Es überraschte sie außerdem, dass ihr Bruder sie nicht ins Vertrauen gezogen hatte. Hätte er es damals nur getan, dann hätte sie heute besser helfen können.
Fiona hatte die Schlafzimmertür offen gelassen, aber Greg blieb im Türrahmen stehen und klopfte leicht an. „Dafür dass Sie so wenig geschlafen haben, sehen Sie heute Morgen unglaublich frisch aus“, bemerkte er, ging ohne Zögern auf das Bett zu und ergriff Minnies Hand.
Minnie lachte. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich erleichtert, dass Sie das sagen. Fiona hat sich gerade benommen, als läge ich bereits im Sterben und würde diesen Tag nicht überstehen.“
Greg lachte ebenfalls. „Sie sind wirklich einzigartig. Das wissen Sie auch, nicht wahr?“
„Natürlich weiß ich das“, erwiderte sie verschmitzt. „Ich nehme an, dass Sie das sofort bemerkt haben.“
„Wenn ich ganz ehrlich bin…“ begann er und
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