Bleib bei mir, kleine Lady
Namen wiederholt, die Wagenräder hatten ihn aufgenommen und an die Pferdehufe weitergegeben.
Die Fahrt zurück nach Barons 1 Hall war wie eine Ode an Phenice gewesen.
Und am nächsten Morgen hatte er es kaum glauben können. Hatte sich diese vollkommene, diese geheiligte Frau wirklich ihm hingegeben?
Er war auf die Knie gesunken und hatte Gott gedankt, daß er dieses Wunder hatte erleben dürfen.
Danach ergaben sich nur wenige Gelegenheiten. Der Marquis war zurückgekehrt, zu Spaziergängen im Wald war es zu kalt, um so mehr, als Pehnice die Kälte haßte.
Die wenigen Male, die sie sich allein sehen konnten, waren, weil emotionell unerfüllt, von unaussprechlicher Spannung geladen.
Und so machte Phenice schließlich den Vorschlag, zusammen zu fliehen.
Virgil begriff kaum, was Phenice da ausgesprochen hatte. Er hätte nie auch nur zu träumen gewagt, daß diese wundervolle Frau ihm allein gehören sollte.
Er hatte sie nur verehren und anbeten wollen, hatte ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen und keinerlei Rechte für sich in Anspruch nehmen wollen.
„Aber – aber das können wir doch nicht tun“, stammelte er.
„Aber ich will dich“, entgegnete Phenice. „Ich will mit dir zusammen sein. Ich hasse dieses Haus, ich hasse die Kälte, und ich hasse – ja, ich hasse meinen Mann.“
Es war ausgesprochen, und Virgil war entsetzt, weil es ausgesprochen war.
Phenice haßte ihren Mann, den Mann, dessen Namen sie trug.
Virgil war so auf seine Anbetung, auf seine Verehrung konzentriert gewesen, daß er nicht einmal auf den Gedanken gekommen war, auf den Mann eifersüchtig zu sein, mit dem Phenice verheiratet war.
„Ich glaube, Edward hat Verdacht geschöpft“, erklärte sie. „Man wird uns verbieten, uns zu sehen, und das kann ich nicht ertragen.“
„Aber wir können doch nicht einfach weglaufen. Wohin sollen wir denn gehen?“
Sie breitete beide Arme aus.
„Die Welt gehört uns. Denk nur an Venedig, ich in deinen Armen auf dem Canale Grande! Zusammensein unter der strahlenden Sonne Roms! Über das Mittelmeer zu fahren! Warum eigentlich nicht? Immer von der Sonne begleitet.“
„Aber wir können doch nicht einfach alles hinter uns lassen. Du kannst doch den Marquis und deine Position, deine gesellschaftliche Stellung nicht einfach aufgeben.“
„Meine gesellschaftliche Stellung!“ hatte Phenice abfällig wiederholt. „Woraus besteht sie denn, diese gesellschaftliche Stellung? Aus Unterhaltungen mit stumpfsinnigen und altmodischen Männern und Frauen. Mit dir will ich Zusammensein, Virgil. Mit dir zusammen spüre ich mich, wie ich mich noch nie in meinem Leben gespürt habe. Ich sehne mich nach dem Feuer, das du in mir entfachst.“
Sie erschauerte.
„Wie finster und kalt hier in England alles ist! Ich will weg von hier! Bring mich weg, Virgil, bitte, bring mich weg!“
Er war völlig verwirrt und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, einen Plan zu schmieden.
Er wollte ihr natürlich gefällig sein und ihr den Wunsch erfüllen, aber wie? Wie?
Und genau an diesem Tag, als er nach Hause gekommen war, hatte sein Vater ihm gesagt, daß er sie nicht mehr sehen durfte.
Jetzt blickte sich Virgil in der Bibliothek um.
Warum hatte er nicht auf seinen Vater gehört? Warum hatte er nicht begriffen, daß sein Vater nur sein Bestes gewollt und seinen gesunden Menschenverstand angesprochen hatte?
Aber er war zu dumm und zu verbohrt gewesen und hatte nichts verstanden.
Plötzlich hielt er es in der Bibliothek nicht mehr aus. Er löschte die Lichter und stieg die Treppe hinauf, um sich in seinem Zimmer zu vergraben.
Als Mrs. Hansell ihm bei seiner Ankunft das Schlafzimmer hergerichtet hatte, in dem schon seit Generationen der Besitzer und Herr von Barons 1 Hall schlief, hatte er nicht zu protestieren gewagt.
Hätte er die Dienstboten vor den Kopf stoßen sollen? Woher sollten sie wissen, wie sehr ihn das schlechte Gewissen seinem Vater gegenüber verfolgte und daß er aus diesem Grund viel darum gegeben hätte, nicht auch noch das Zimmer bewohnen zu müssen, in dem dieser gestorben war?
Als er es jetzt betrat, flackerte ein Feuer im Kamin, und Dawkins, sein Kammerdiener, stand daneben und wartete geduldig auf die Anweisungen Seiner Lordschaft.
„Warum haben Sie denn Feuer gemacht, Dawkins?“ fragte Lord Damien erstaunt.
„Weil draußen ein beißender Wind weht, Mylord“, antwortete der Diener. „Diese Maiwinde können sehr trügerisch sein, vor allem, wenn man nicht
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