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Bleib bei mir, kleine Lady

Bleib bei mir, kleine Lady

Titel: Bleib bei mir, kleine Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Cartland
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Ader, die in merkwürdigem Gegensatz zu seiner Sportlichkeit stand, eindeutig von der Seite seiner Mutter stammte.
    Virgils Mutter war eine sehr zartfühlende, liebenswürdige und phantasiebegabte Frau gewesen, die irischer Abstammung war.
    Lady Damien war sehr jung gestorben. Ihr einziger Sohn Virgil war damals erst fünf Jahre alt gewesen.
    Als Kind und Jüngling hatte sich Virgil der Gefühle, die Musik und Dichtung in ihm erweckten, immer ein wenig geschämt. Erst in Oxford, wo er verwandte Seelen getroffen hatte, konnte er sich ihnen voll Genuß hingeben.
    Mit seinen sehr musisch veranlagten Freunden hatte er Gedanken und Theorien ausgetauscht und schon nach kurzer Zeit feststellen müssen, daß sie auf ihrem jeweiligen Gebiet ebenso kundig waren wie seine anderen Freunde, die sich auf Pferde und – wie hätte es anders sein können – auf Frauen konzentrierten.
    Die Räume von Lynmouth House waren ebenso düster wie sein Äußeres. Schwere, dunkle Möbelstücke vor dunkler Holzvertäfelung, alles farblos und stumpf, alles ohne Licht und Sonnenschein …
    Der Marquis begrüßte sie herzlich. Er hatte seinen Freund Lord Damien schon immer sehr geschätzt, und Virgil kannte er von klein auf.
    „Ich wollte Ihnen eben schreiben und Sie zu uns zum Diner bitten“, sagte er zu Virgils Vater. „Nach unserer Rückkehr nach England war meine Frau sehr erschöpft, und wir hatten daher bisher kaum Gäste. Es war ihr nicht danach zumute.“
    „Was einzig und allein an den Gästen lag“, bemerkte jemand von der Tür her, und die Marquise betrat den Salon.
    Virgil war so erstaunt, daß er sie nur anstarren konnte. Seine guten Manieren waren wie weggewischt, er vergaß alles und wußte nur noch, daß er nie eine schönere und ungewöhnlichere Frau gesehen hatte.
    Über ihre Nationalität hatte er nie Genaueres erfahren, nicht einmal, als er mit ihr zusammengelebt hatte. Aufgrund ihrer Ehe mit dem Comte de Castigone, der in einem Duell getötet worden war, besaß sie einen französischen Paß.
    Wie gut Virgil in den späteren Jahren diese Duelle und die damit verbundene Gefahr kennenlernen sollte …
    Was vor der Ehe mit dem französischen Adeligen geschehen war, blieb im dunkeln. Phenice hatte voll Liebe von ihrer griechischen Mutter gesprochen, aber Virgil hatte irgendwann den Verdacht geschöpft, daß in der langen Linie von Vorfahren maurisches Blut nicht fehlte. Ihr Großvater und ihr Urgroßvater hatten offensichtlich einflußreiche Posten im französischen Algerien innegehabt.
    Wie dem auch sei, diese wunderschöne Gestalt mit dem schlanken, geschmeidigen Körper konnte man nur bewundern und anbeten.
    Die großen schwarzen Augen schienen das ganze Gesicht zu beherrschen. Und als Virgil in diese Augen blickte, wußte er, daß er verloren war. Verloren wie ein Taucher, der dem Meeresgrund zustrebt, obwohl er weiß, daß er nicht mehr an die Oberfläche zurückkehren kann.
    Er war unfähig, ein Wort zu sagen.
    Die Marquise wandte sich daraufhin an ihren Mann.
    „Warum hast du mir nie erzählt, daß Apoll nebenan wohnt?“ fragte sie. „Du weißt doch, wie groß mein Heimweh nach Griechenland ist. In meiner Verzweiflung tröste ich mich bereits mit den Gedichten von Lord Byron.“
    „Lieben – lieben Sie Byron?“ stotterte Virgil.
    „Natürlich liebe ich Byron“, erwiderte die Marquise mit sanfter Stimme. „Wir müssen seine Gedichte zusammen lesen.“
    Und danach hatte es nur noch Phenice, Phenice, Phenice gegeben.
    Wenn sie nicht auf ihn zugekommen wäre, Virgil hätte es nie gewagt. Doch bereits am Tag darauf hatte sie eine formelle Einladung zum Diner gebracht.
    Daß sie persönlich kam, war sowohl außergewöhnlich als auch unnötig, denn die Verabredung war bereits getroffen worden, ehe Virgil und sein Vater nach dem ‚Anstandsbesuch’ nach Barons' Hall zurückgefahren waren. Es hätte demnach völlig genügt, wenn ein Diener die schriftliche Einladung abgegeben hätte.
    Aber Phenice kam persönlich, in großer Toilette.
    Virgil war zufällig allein in der Bibliothek. Sein Vater hatte den Raum einen Augenblick vorher durch eine der großen Glastüren verlassen, um mit einem Gärtner zu sprechen.
    Nach dem Tode von Virgils Mutter waren die Salons nicht mehr benutzt worden, und als ein Diener in die Bibliothek kam und die Marquise von Lynmouth abmeldete, sprang Virgil auf und glaubte, sich verhört zu haben.
    Doch da kam sie plötzlich auf ihn zu und sah ihm tief in die Augen.
    „Sie lesen?“ fragte

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