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Bleib bei mir, kleine Lady

Bleib bei mir, kleine Lady

Titel: Bleib bei mir, kleine Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Cartland
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erhalten.
    Von englischen Freunden, die er in Rom und Paris getroffen hatte, wußte er jedoch, welchen Skandal er heraufbeschworen und wie fabelhaft sich der Marquis verhalten hatte.
    Er hatte es schließlich in Venedig nicht mehr ausgehalten und sich auf eine Weltreise gemacht. Einmal rund um den Erdball zu fahren, davon hatte er schon immer geträumt, und jetzt hatte er diesen Traum verwirklichen und suchen wollen, was er verloren hatte.
    Er hatte es nicht gefunden, aber Erfahrungen gesammelt.
    Er hatte viel Unbequemlichkeiten in Kauf genommen, um seine Seele an der atemberaubenden Schönheit des Orients zu erfreuen. Doch sein Herz war oft schwer gewesen, denn die maßlose Armut, die Primitivität und die Grausamkeit dieser Länder hatten ihn sehr belastet.
    Er hatte in alten Schiffen Meere überquert, hatte bisher unüberwundene Gebirgszüge bewältigt und sich Gefahren ausgesetzt, die ihn mehrmals fast das Leben gekostet hätten. Doch er hatte sich diese Prüfungen einfach abfordern müssen, weil er die Jahre untätigen Lebens von sich hatte abstreifen wollen.
    Doch es war unvermeidlich gewesen. Immer wieder war er Frauen begegnet, und ihretwegen war er bald wieder in den alten Trott verfallen.
    Venedig, Rom, Neapel, Paris … Frauen, immer wieder Frauen … Frauen, die ihm die Illusion der Liebe schenkten, die er mit Phenice gekannt und die Phenice getötet hatte …
    Langsam und quälend getötet, bis nur noch Wunden an Herz, Seele und Geist zurückgeblieben waren, die nie heilen würden …
    Jedesmal hatte er es von neuem erfahren müssen die Schönheit war eine Illusion, und die Lust erstarb so schnell, wie sie aufflammte.
    Immer mehr Frauen hatten Einzug in sein Leben gehalten und seine Taschen geleert, aber nicht eine von ihnen hatte sein Innerstes so berührt, wie Phenice es getan hatte.
    Manchmal hatte er es fast bedauert, daß er nicht mehr ein Opfer dieses seltsamen Zaubers war, mit dem sie ihn fasziniert und vor Begierde schier rasend gemacht hatte.
    Doch als er erfahren hatte, daß sie nicht mehr lebte, hatte er nicht den leisesten Schmerz verspürt. Ihr Selbstmord hatte ihn nicht weiter berührt.
    „Und wie ist es dazu gekommen?“ fragte er und war über den Ton seiner Stimme selbst erstaunt.
    „Salin hat sie verlassen“, bekam er zur Antwort. „Es hat noch zwei oder drei Nachfolger gegeben, aber so leicht hatte sie es dann mit den Männern auch nicht mehr. Sie hat für das Leben büßen müssen, das sie immer geführt hat. Und dann ist noch der Alkohol dazu gekommen, sie hat immer mehr getrunken, und das war dann schließlich das Ende.“
    Virgil konnte es sich genau vorstellen. Allerdings kaum, daß sie inzwischen fünfundvierzig Jahre alt gewesen war. Fünfundvierzig Jahre …
    Und da hatte er plötzlich den Entschluß gefaßt, nach Hause zurückzukehren.
    Als er von Indien gekommen war, hatte er vom Tod seines Vaters gehört und war fassungslos gewesen. Er hatte geglaubt, nun für immer im Ausland leben zu müssen.
    Wie hätte er den Menschen vor die Augen treten können, die ihn fragen würden, warum er allein zurückkam, warum er die Frau nicht mitbrachte, die noch mit dem Marquis verheiratet war und seinetwegen weggelaufen war?
    Als er Barons’ Hall betreten hatte, war ihm klar gewesen, daß alles unverändert war.
    Phenice mochte tot sein, aber die Türen der Nachbarn waren ihm verschlossen. Das, was er vor zwölf Jahren getan hatte, war nicht vergessen.
    Der kurze Aufenthalt in London hatte ihm die letzte Gewißheit gebracht.
    „Mein Gott, Virgil! Bist du es wirklich?“
    Das war die erste Frage eines ehemaligen Studienkollegen gewesen, dem er in seinem Klub begegnet war.
    „Anstruther“, entgegnete er, „wie geht es dir denn, alter Junge?“
    „Die Frage sollte man eigentlich dir stellen“, sagte Roger Anstruther. „Aber man sieht es dir ja an – ausgezeichnet geht es dir. Du siehst fast noch besser aus als früher.“
    Virgil lachte. „Ich fühle mich geschmeichelt, daß du mich überhaupt noch kennst.“
    „Hör mal – dich zu vergessen, das wäre gar nicht möglich gewesen.“
    „Wie meinst du das?“
    „Na, weil du doch fast zur Legende geworden bist.“
    Und was ihm Roger Anstruther dann erzählte, verschlug ihm die Rede.
    Er hatte keine Ahnung gehabt, daß alles, von seinen Partys angefangen, über seine Reise bis zu all den Frauen, die nach Phenice gekommen waren, daß rein alles über den Kanal getragen und bis ins Detail geschildert worden war.
    Roger Anstruther

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