Bleib cool Samantha
von Catherine.
»Catherine«, sagte ich. »Oh. Hallo!«
»Also, sag?« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Hättest du?«
»Hätte ich was?«
»Es mir jemals erzählt«, sagte sie. »Das mit dir und David. Du weißt schon.«
Ich spürte, wie meine Wangen so rot anliefen wie wahrscheinlich noch nie zuvor in meinem Leben.
»Da gibt es nichts zu erzählen«, beteuerte ich. »Ehrlich nicht, Catherine. Das Ganze gestern Abend war… David und ich haben nie… ich meine, das war alles ein großes Missverständnis.«
Bildete ich es mir ein oder sah Catherine ein ganz kleines bisschen enttäuscht aus?
»Dann habt ihr nicht miteinander geschlafen?«, sagte sie und klang jetzt wirklich enttäuscht.
»Nein«, sagte ich. »Ich meine, na ja… noch nicht. Ich meine…« Ich ließ den Satz in der Luft hängen und starrte sie an. »Hättest du denn gewollt, dass ich es dir sage? Ich meine, wenn wir es getan hätten.«
Catherine riss die Augen auf. »NATÜRLICH«, rief sie. »Wieso denn nicht?«
»Weil«, sagte ich. »Na ja… weil ich einen Freund habe und du… du nicht mehr.«
»Das ist mir doch egal.« Catherine sah jetzt richtig beleidigt aus. »Das hättest du doch wissen müssen. Ich meine, bitte! Ich will alles haarklein erfahren! Wenn ich schon kein Leben habe, dann lass mich wenigstens indirekt an deinem Leben teilhaben!«
Sie verarschte mich. Ich konnte es nicht glauben. Catherine verarschte mich.
Ich war noch nie in meinem Leben so froh gewesen, verarscht zu werden.
»Ich hätte es dir gern gesagt«, verteidigte ich mich. »Ich meine, dass David und ich… also, dass wir darüber reden, ob wir es vielleicht tun.Aber irgendwie wäre mir das so… so angeberisch vorgekommen, verstehst du?«
»Angeberisch?« Catherine grinste. »Machst du Witze? Du bist so was wie die Pilotin Amelia Earhard, Sam. Eine Pionierin!«
Ich sah sie an. »Echt?«
»Klar. Du bist eine Vorreiterin. Eine, die Mädchen wie mir auf der ganzen Welt zeigt, wo es langgeht. Du musst uns alles erzählen. Wie sollen wir denn sonst wissen, was wir machen sollen, wenn es bei uns mal so weit ist?« Sie hakte sich bei mir unter. »Okay, jetzt mal ganz von Anfang an. Wann hast du gewusst, dass du es machen willst? Wie hat er das Thema angesprochen? Hast du schon seinen Du-weißt-schon-was gesehen? Und war er größer als der von diesem Terry?«
Ich lachte. Was mich selbst überraschte. Nach dem Vorfall bei MTV war ich mir nämlich ziemlich sicher gewesen, dass ich nie mehr lachen konnte. Denn wer sollte mich zum Lachen bringen, wenn keiner mehr mit mir redete?
Aber ich hatte meine beste Freundin vergessen. Zum Glück hatte sie mich nicht vergessen.
»Ich erzähl dir alles«, sagte ich. »Beim Mittagessen, okay? Auch wenn’s gar nicht so viel zu erzählen gibt.«
»Versprochen?«
»Versprochen«, sagte ich. Und schlug die Tür von meinem Schließfach zu.
»Also«, sagte Catherine, als es gongte. »Dann sehe ich dich nachher in der Cafeteria.«
»Ja, bis nachher«, sagte ich und dachte stumm bei mir: Falls ich bis dahin überlebe .
Da war ich mir nämlich nicht so sicher. Also dass ich bis zur Mittagspause überleben würde, meine ich. Ich bin ja daran gewöhnt, dass sich die Leute über meine Klamotten und meine Haare lustig machen. Man läuft in einem Meer von wasserstoffperoxydblonden Haaren und Schottenröcken nicht ganz in Schwarz gekleidet herum, ohne damit Kommentare zu provozieren, das ist klar.
Aber das heute war etwas anderes. Keiner nannte mich Freak oder fragte, wann das Punkkonzert anfängt. Sie… sie ignorierten mich einfach. Sahen durch mich hindurch, als wäre ich Luft.
Wenigstens die Lehrer taten so, als wäre es ein ganz normaler Tag an der Adams Highschool. Sie unterrichteten uns, als hätten sie überhaupt nicht mitbekommen, wie eine ihrer Schülerinnen am Vorabend im Fernsehen verkündet hatte, sie hätte Sex gehabt. In Deutsch (eine extrem schwere Fremdsprache!) rief mich Frau Rider auf, ohne dass ich mich gemeldet hatte. Zum Glück wusste ich, dass ich ihre Aufzählung »Bleiben, blieb… und wie weiter, Sam?« mit » geblieben « beenden musste.
Aber trotzdem. Es hätte sehr hässlich und unangenehm werden können.
Und das wurde es dann in der Mittagspause auch.
Ich stand mit Catherine gerade in der Schlange vor der Essensausgabe und wurde von allen Leuten, die mit einem Grinsen oder, schlimmer noch, leisem Kichern an uns vorbeigingen, demonstrativ links liegen gelassen – als plötzlich Kris Parks und ihre
Weitere Kostenlose Bücher