Bleib für immer!: Roman (German Edition)
egal, denn ich kann jetzt einfach nicht mehr über die Probleme der beiden nachdenken.
Während der Weiterfahrt muss ich erstaunt feststellen, wie rasch meine Wut, die doch noch vor Kurzem so heftig war, sich in etwas anderes verwandelt: einen dumpfen, wachsenden Schmerz, der jetzt schon stärker und viel, viel schlimmer ist als ganz normaler Zorn. Oder auch die Nachwehen von Valentinas linkem Haken.
Der heutige Abend markiert den Endpunkt dessen, was ich noch vor vier Stunden für das Beste hielt, was mir je passiert ist. Der Endpunkt, von dem ich törichterweise glaubte, er würde niemals kommen. Das Ende von Jack und mir. Mir und Jack. Meine einzige feste Beziehung. Beinahe.
Ich denke daran, wie Jack mir zärtlich das geschwollene Gesicht küsste und mir sagte, ich sei immer noch die schönste Frau, die er je kannte.
Ich denke daran, wie sicher ich mich dadurch fühlte. Wie besonders. Wie geliebt.
Mein Gesicht ist schon tränenüberströmt, aber es kommen immer noch mehr. Ich sitze da und weine, wie ich noch nie im Leben geweint habe. Meine Brust zieht sich enger und enger zusammen, und ich fühle mich, als hätte mir jemand das Herz aus der Brust gerissen und wränge es jetzt unbarmherzig, um noch die letzte Träne herauszupressen.
Ich blicke aus dem Wagenfenster, aber das Einzige, was ich klar und deutlich erkennen kann, ist Jacks Gesicht. Dieses wundervolle Gesicht mit den warmen Augen und dem ach so weichen Mund. Vielleicht werde ich dieses Gesicht nie wiedersehen.
Dann lege ich den Kopf in die Hände, und obwohl ich mein Weinen verbergen möchte, kommt mir ein Schluchzen über die Lippen.
»Ihnen wird doch wohl nicht schlecht da hinten, oder?« Der Fahrer wirft einen misstrauischen Blick in den Rückspiegel. »Das kostet nämlich sonst fünfundzwanzig extra.«
99
Meine Wohnung, Samstag, 9. Juni
I CH WACHE AUF mit einem verkaterten Mund, einem pochenden Auge und einem sehr merkwürdigen Gefühl, was den vergangenen Abend betrifft. »Merkwürdig« im Sinne von: Ich weiß sofort, dass etwas nicht stimmt, aber es dauert eine halbe Sekunde, bis mir wieder einfällt, was genau. Doch dann dreht sich mir der Magen so heftig um, als wäre er von den Hinterhufen eines Esels mit pathologischen Stimmungsschwankungen getroffen worden.
Ich atme tief ein. Eigentlich ist es keine große Überraschung, dass ich mich so fühle. Wenn man bedenkt, welche Massen an Kaffee ich gestern Nacht noch getrunken habe. Nach dem ganzen Alkohol den Tag über. Und den Schmerztabletten am Nachmittag. Und dem Schlag auf den Kopf mit Valentinas Klunker.
Trotzdem weiß ich, dass das alles nicht der Grund für meine Übelkeit ist. Sondern die Erinnerung an Jacks Worte.
Evie, du weißt ja nicht, was du redest. Sind diese lächerlichen Anschuldigungen deine Art, mit mir Schluss zu machen? Du musst nicht mit mir Schluss machen. Ich gehe gerne einfach freiwillig.
Allein bei dem Gedanken dreht sich mein Kopf fast so schlimm wie mein Magen, meine Gedanken wirbeln ungebremst im Kreis in dem verzweifelten Versuch, das Geschehene zu begreifen. Er wirkte so aufrichtig. Aber wie kann er das, nach dem, was Beth erzählt hat? Mein Gott, ich möchte ihm ja glauben – was eindeutig bedeutet, dass ich total bescheuert bin. Was, wenn er doch die Wahrheit gesagt hat? Ist es jetzt sowieso zu spät?
Ich sehe zur Decke und konzentriere mich auf ein eindrucksvolles Spinnennetz zwischen meinem Ikea-Lampenschirm und meiner Vorhangstange. Dann schließe ich die Augen und probiere, rational über alles nachzudenken.
Soweit ich das sehen kann, gibt es nur zwei mögliche Erklärungen:
A. Jack hat tatsächlich gelogen und mich mit Beth betrogen, wie ich vermutet habe. In welchem Fall er sich seit Monaten wie eine gemeine, verlogene Ratte benommen hat, ohne Rücksicht auf meine Gefühle. Und ich eine Vollidiotin bin.
Oder
B. Jack hat nicht gelogen und betrogen. In welchem Fall ich ihn in aller Öffentlichkeit fälschlich beschuldigt habe – unmittelbar nachdem er herausgefunden hat, dass ich ihm kolossale Märchen über meine eigene Vergangenheit aufgetischt habe. Und ich eine Vollidiotin bin.
Komisch, aber es fällt mir in beiden Szenarien schwer, etwas Positives darin zu finden.
100
Meine Wohnung, Donnerstag, 14. Juni
J ACK, HIER IST EVIE. Wir müssen reden.«
Nein, nein, nein, ganz falsch. Das klingt wie aus einer schlechten Daily Soap. Inzwischen habe ich so viele tiefe, bedeutungsvolle und oft erbärmlich
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