Bleib für immer!: Roman (German Edition)
wunderbar, hier zu sitzen, mit nichts außer den Wellen und einem Kormoranpaar zur Gesellschaft.
Da entdecke ich etwas im Wasser und merke sofort, dass es größer als ein Fisch ist. Ich konzentriere mich auf die Stelle … und wieder sehe ich es. Im Geiste blättere ich durch den Reiseführer und komme zu dem Schluss, dass es eine Robbe sein muss. Und tatsächlich kommt ein kleiner Kopf zum Vorschein und wendet sich mir zu. Ich lächle.
»Warum schaust du mich so an?«, frage ich das Tier. »Sehe ich so schlimm aus, dass du mich jetzt auch schon so anstarren musst?«
»Evie«, sagt eine Stimme, »bist du das?«
Ganz kurz betrachte ich wieder die Robbe und frage mich, was um Himmels willen hier vor sich geht. Dann höre ich Schritte neben mir.
Jack hat mich gefunden.
Sofort lege ich den Kopf in die Hände.
»Sieh mich bloß nicht an!«, quieke ich, wobei mir gleichzeitig klar wird, dass diese Taktik vermutlich genau den gegenteiligen Effekt haben wird.
»Ich wollte nur mal nachsehen, wie es deiner Allergie geht«, meint er. »Deine Mutter hat mir erzählt, was passiert ist.«
»O Gott, vielen Dank, Mutter.« Immer noch ist mein Kopf in meinen Händen vergraben.
Jetzt setzt sich Jack neben mich.«Willst du die ganze Nacht so dasitzen?«, fragt er.
Ich hebe den Kopf, die Hände immer noch fest vor das Gesicht gepresst. »Wahrscheinlich schon«, murmle ich.
Er lacht laut. »Tja dann, gut«, meint er und kann vor Lachen kaum normal reden, »aber du musst mich ja für schrecklich oberflächlich halten.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, offenbar glaubst du, dass ich nicht hier sitzen und mich mit jemandem unterhalten will, nur weil er ein paar … Pusteln hat.«
»Es sind keine Pusteln, es sind Flecken.«
»Nur Flecken?«, sagt er. »Das ist ja gar nichts.«
»Hör mal«, erwidere ich, die Hände immer noch auf dem Gesicht, »ich weiß deine Anteilnahme ja zu schätzen, aber es würde mein Leben sehr viel leichter machen, wenn du einfach wieder reingehen und weiter für Let’s Dance trainieren würdest.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Das geht mir total auf die Nerven. Jetzt komm schon, Evie, sei doch vernünftig. Lass mich mal sehen.«
Ich denke eine Sekunde darüber nach. Oder vielleicht auch eine Minute. Wider besseres Wissen nehme ich zögerlich die Hände herunter … und sehe ihm in die Augen.
»O MEIN GOTT!«, kreischt er.
Ich kreische zurück und schlage mir die Hände wieder vors Gesicht.
»Das war ein Witz!«, sagt er. »Ehrlich, Evie, das war nur ein Witz.«
Er legt mir die Hand auf den Arm, was mir kleine Schauer durch die Adern jagt. Dann, ganz langsam, zieht er meine Hände weg.
»Ganz ehrlich, das war nur ein Witz. Tut mir leid. Tut mir wirklich leid. Glaub mir, es sieht nicht annähernd so schlimm aus, wie du denkst.«
Ich ziehe eine Grimasse.
»Du willst zwar nur höflich sein«, sage ich. »Aber trotzdem danke.«
Jack hebt einen Stein auf und spielt damit, während wir beide aufs Meer starren.
»Ich finde deine Mutter übrigens großartig«, bemerkt er.
Ich sehe ihn überrascht an.
»Wirklich? Ich meine, ich finde sie auch großartig, aber die meisten anderen Leute würde schon allein der Anblick dieser Strumpfhose in die Flucht jagen.«
Er lächelt.
»Hat sie dich schon zu ihrer Hochzeit eingeladen?«, erkundige ich mich.
»Hat sie. Muss ich aus dieser Frage schließen, dass das nicht unbedingt ein besonders exklusives Privileg ist?«
»Das könnte man so sagen. Außerdem sollte ich dich wohl vorwarnen, dass die Veranstaltung nicht annähernd so zivilisiert sein wird wie diese. Ich hoffe, du magst Nesselwein, um es mal so zu formulieren.«
»Dafür allein wird es sich schon lohnen hinzugehen«, witzelt er. »Und du bist wieder Brautjungfer?«
»Ganz genau, zum dritten Mal in diesem Jahr. Ich bin eine Serienbrautjungfer.«
Er lacht und dreht mir den Kopf zu.
»Jedenfalls«, meint er, »bin ich froh, mal kurz entflohen zu sein.«
»Ich auch. Obwohl ich angenommen hatte, du wärst den ganzen Abend vergeben.«
»Du meinst an Beth?«, fragt er.
»Hmmm«, nicke ich.
»Nein. Sie ist sehr süß und alles, aber nein, ich bin auf keinen Fall den ganzen Abend vergeben. Nicht an Beth.«
58
D AS SOLLTE EIGENTLICH die beste Nachricht des Abends sein, aber ich bin trotzdem noch irritiert. Warum genau hat er Beth dann seine Telefonnummer gegeben? Ich beiße mir auf die Lippe und grüble darüber nach, während ich zur Tarnung nach etwas in meiner Tasche wühle.
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