Bleib für immer!: Roman (German Edition)
mich dann auch noch auf die Lippen küsst, möchte ich am liebsten heulen. Und zwar nicht nur, weil mein Kopf sich trotz der Einnahme von ausreichend Schmerzmitteln, um einen Brauereigaul zu narkotisieren, anfühlt, als würde jemand darauf herumspringen.
Jack und ich sind jetzt seit exakt acht Wochen zusammen. Unter normalen Umständen hätte ich das als Erfolg verbucht, was es angesichts meines bisherigen Werdegangs ja auch ist. Aber so betrachte ich das einfach nicht. Die Acht-Wochen-Etappe zu erreichen ging so mühelos, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, die zehn Wochen, zwanzig Wochen oder wie viel auch immer nicht zu schaffen.
Nicht nur geht er mir nicht auf die Nerven. Wenn ich das Waschzeug sehe, das er inzwischen in meinem Bad aufbewahrt, macht mein Herz einen Satz. Wenn wir sonntagmorgens aufwachen und er vorschlägt, den Tag – schon wieder – zusammen zu verbringen, kann ich mich kaum bändigen. Wenn er mich im Büro anruft, um mir zu sagen, dass er sich auf mich freut, dann ist das der Höhepunkt meines Tages.
Kurz gesagt: Ich bin geheilt. Meine Bindungsunfähigkeit gehört der Vergangenheit an. Die einzige Schattenseite ist, dass mir erst heute auffällt, wie sehr ich mich von anderen Menschen abgeschottet habe.
Abgesehen von der Arbeit habe ich in letzter Zeit praktisch nur meine Mutter getroffen, und das war mehr aus Notwendigkeit bzw. der Planlosigkeit ihrer Hochzeitsvorbereitungen geschuldet.
Obwohl alles ganz gut geklappt hat. Abgesehen davon, dass ihre Tochter aussieht wie nach einer Kneipenschlägerei.
Der Empfang findet auf einer Wiese in der Nähe ihres Hauses statt, was grauenhaft klingt, aber eigentlich gar nicht so übel ist. Gut, das Festzelt verfügt über keine Organzavorhänge oder Kronleuchter, weil es ein ehemaliges Bierzelt ist. Und auch klar, das Buffet ist nicht gerade ideal für Fleischfans. Aber wenn man Mungbohnen und getrocknete Papaya mag, schwebt man im siebten Himmel.
Um meine Mutter mache ich mir also keine Sorgen. Sondern um Grace. Seit ich denken kann, ist sie meine beste Freundin, und ich merke ganz deutlich, dass zwischen ihr und Patrick etwas nicht stimmt. Konkreter kann ich es momentan auch nicht formulieren, weil sie außer gelegentlichem Stöhnen nicht viel preisgibt.
Deshalb bin ich fest entschlossen, das Thema heute anzuschneiden. Und so schwer es mir auch fällt, mich von Jack loszureißen – genau das werde ich tun. Und zwar jetzt sofort.
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D AS MUSSTE JA vermutlich so kommen. Ich wusste, dass es so kommen würde. Ich hatte es nur in meinen Hinterkopf verbannt, um so zu tun, als würde es nicht passieren. Aber Gareth ist die Sorte Mensch, die einfach nicht anders kann. Sosehr ich mir das verdammt noch mal wünsche.
»Evie!«, brüllt er, als ich mich quer durch das Zelt zu Grace aufmache.
Mein Magen rutscht nach unten, als wäre ein Felsbrocken daran festgebunden.
»Ich habe schon während der Trauung nach dir Ausschau gehalten, aber … mein Gott, was ist denn mit dir passiert?«
»Ach, nichts.« Ich berühre mein Auge, würde ihm aber gern die gleiche Frage stellen. Gareths Haut sieht inzwischen aus, als hätte er sie mit einer Käsereibe bearbeitet.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«, frage ich zaghaft.
»Aber sicher«, entgegnet er, zupft an einer der trockeneren Stellen an seinem Kinn herum und schnippt das Ergebnis auf den Boden. »Was soll sein?«
»Ich weiß nicht, du siehst einfach nicht so besonders gesund aus«, wage ich zu sagen.
»Mir geht’s prima. Spitze. Und wie geht es dir? Du hast mich gar nicht angerufen, wie du angekündigt hattest, oder? Aber das nehme ich dir nicht übel. Hast du die Ohrringe getragen?«
Die Ohrringe, die er mir im Jacaranda überreicht hat, brennen derzeit ein Loch in meine Kommodenschublade, als wären sie aus Krypton. Ich will sie nicht haben, ich weiß nur einfach nicht, was ich damit machen soll. Ganz bestimmt nicht tragen, aber wegwerfen kommt mir so herzlos vor.
Und obwohl Gareth zu treffen ungefähr so erfreulich ist wie eine Behandlung mit Elektroschocks, habe ich immer noch ein schlechtes Gewissen wegen der Auswirkungen, die meine Trennung von ihm ganz eindeutig auf ihn hatte.
»Du hättest mir die Ohrringe nicht schenken sollen, Gareth.« Ich bemühe mich, möglichst bestimmt und freundlich zu klingen, statt herrisch und leicht genervt. »Ich weiß, du hast es gut gemeint, aber trotzdem.«
»Aber du wolltest sie doch, oder?«
»Darum geht es nicht«, sage ich.
»Worum geht es
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