Bleib für immer!: Roman (German Edition)
sanft auf die Haare küsst. Als wir uns wieder voneinander lösen, wende ich mich wieder Grace und Patrick zu und bin etwas entsetzt. Sie halten Abstand voneinander und fühlen sich offenbar angesichts unserer zur Schau gestellten Zuneigung unbehaglich. Keiner von beiden weiß, wohin er den Blick wenden soll. Dann geschieht etwas Seltsames. Patrick leert sein Glas, dreht sich auf dem Absatz um und geht weg. Einfach so.
»Gehst du zur Bar?«, ruft Grace ihm hinterher, als wäre sie nicht genauso betroffen von dieser Szene wie wir.
Doch er ignoriert sie einfach und schwankt weiter.
»Ich hoffe, du hast dir nicht allzu viel für heute Nacht erwartet«, sage ich. »So blau habe ich Patrick seit eurer Hochzeit nicht mehr erlebt.«
»Hmm.« Sie zwingt sich zu einem Lächeln.
»Grace, ist wirklich alles in Ordnung?«, frage ich, aber in derselben Sekunde wird mir bewusst, dass das nicht der passende Augenblick ist. Vor Jack würde sie niemals die Katze aus dem Sack lassen.
»Ja, klar«, antwortet sie. »Auf jeden Fall denke ich mir allmählich, ich sollte einfach auch mitmachen. Kann ich euch noch was zu trinken mitbringen?«
Wir schütteln beide den Kopf. Als sie hinter Patrick her läuft, halte ich sie am Arm fest. Wir sind außer Jacks Hörweite.
»Grace, im Ernst«, sage ich. »Willst du reden?«
»Nein, echt. Keine große Sache.«
Aber mir kommt das Ganze allmählich ziemlich groß vor. Riesengroß.
94
F ALLS ICH PATRICKS VERHALTEN schon merkwürdig fand, dann ist das noch gar nichts im Vergleich zu Charlotte.
Heute ist der erste Abend, seit Beginn ihrer Weight-Watchers-Karriere, an dem sie etwas Stärkeres als zuckerfreie Brause zu sich genommen hat, und es zeigt eine unmittelbare Wirkung. Als ich vorhin mit ihr auf einem Dixie-Klo war, schwankte sie so heftig bei dem Versuch, über der Brille zu schweben, dass sie das Ding beinahe zum Kippen gebracht hätte.
»Uuuh«, sagt sie und wirft ihren Kopf heftig zurück, »ich bin schon ganz beduselt.«
Da ist sie nicht allein. Dank meines blauen Auges und der Schmerzmittel habe ich so weiche Knie, als hätte ich den ganzen Nachmittag auf einem Spielplatz-Karussell verbracht.
»Ist aber nicht unangenehm«, kichert sie. »Eigentlich sogar ganz nett.«
Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.
Als Charlotte und ich zurück zum Zelt gehen, läuft die Musik auf vollen Touren. Genau wie Valentina. Unbeeindruckt davon, dass die Band ein Stück von Van Morrison spielt, hat sie ihre alte Spice-Girls-Nummer aus dem Schrank gezogen und gibt sie zum ersten Mal seit 1999 zum Besten. Edmund platzt vor Stolz.
»Es ist erstaunlich«, erklärt Charlotte aus heiterem Himmel, »die Leute sehen einen ganz anders an, wenn man dünn ist.«
»Ich nicht«, sage ich energisch. »Ich meine, du siehst großartig aus, aber für mich bist du immer noch die alte Charlotte. Ich fand dich immer toll, und das bleibt auch so.«
»Schon, aber nicht jeder ist so wie du, Evie. Meine Mutter zum Beispiel …«
Sie nimmt einen ordentlichen Schluck Wein.
»Weißt du, was sie letzten Sonntag zu mir gesagt hat? ›An dir ist ja nichts mehr dran‹, hat sie gesagt. Ich war zum Mittagessen gekommen und hatte den Yorkshire-Pudding und die Soße abgelehnt …«
»Was, und sie ist beinahe in Ohnmacht gefallen?«, scherze ich.
Charlotte gluckst.
»Aber nicht nur meine Mutter«, fährt sie fort und streicht sich zufrieden über das figurbetonte Kleid. »Es sind auch …«
»Wer denn?«
Sie sieht mich an und lächelt verschwörerisch.
»Männer«, flüstert sie und kichert wie ein unartiges Schulmädchen.
»Männer?«, wiederhole ich grinsend. »Erzähl schon, mit wem hast du geflirtet?«
»Das sag ich nicht.« Sie trinkt wieder ausgiebig von ihrem Wein.
»Charlotte«, beschwere ich mich leicht verblüfft. »Jetzt spann mich nicht auf die Folter. Erzähl schon.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Noch nicht«, sagt sie.
»Charlotte!«, quieke ich. »Von wem sprichst du? Rück sofort raus mit der Sprache.«
Wieder kichert sie.
»Kann ich nicht.«
»Okay, okay.« Ich will es zwar unbedingt wissen, aber ich möchte auch nicht, dass sie ganz dichtmacht. »Ist denn schon etwas … gelaufen?«
Sie starrt in ihr Weinglas und lächelt versonnen.
»O ja«, erwidert sie träumerisch.
Meine Augen weiten sich.
»Was denn?«
Noch einmal schüttelt sie den Kopf. Offenbar genießt sie es genauso, mich damit zu necken, wie sie die Geschichte selbst genießt.
»Habt ihr euch geküsst?«, will ich
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