Bleib für immer!: Roman (German Edition)
das Gesicht zu und lächelt, als wäre sie der schönste Mensch auf der ganzen Welt. Ich wusste schon immer, dass er ein bisschen verrückt ist, jetzt hat er es bestätigt. Denn alle anderen halten die Luft an.
Das Auffälligste am Brautkleid ist die Farbe. Es ist grün, und wenn ich sage grün, meine ich, dass sie als Ampel arbeiten könnte. Was den Schnitt betrifft, ist die untere Hälfte ganz okay – bodenlang, fließend. Das Oberteil allerdings verfügt nicht nur über einen Ausschnitt mit Nackenverschluss – einen beunruhigend tiefen Ausschnitt mit Nackenverschluss -, sondern zusätzlich über einen Kragen. Gekrönt wird das Outfit von einem Kopfschmuck, der aus einer einzigen gigantischen Pfauenfeder gefertigt wurde, die gut und gern aus dem Museum für indianische Kultur entwendet worden sein könnte.
Der Standesbeamte, ein älterer Herr, der seinem Tweedsakko nach zu urteilen selbst nicht unbedingt ein Fan experimenteller Mode ist, wirkt beinahe verstört bei dem Anblick vor sich und muss sich erst wieder fassen.
»Guten Morgen, meine Damen und Herren«, beginnt er ergeben. »Darf ich Sie zu Anfang an diesem ganz besonderen Tag alle herzlich willkommen heißen. Sarah und Bob möchten einander heute die Sicherheit anbieten, die sich aus dem gesetzlich verbindlichen Gelöbnis ableitet, das aufrichtig abgelegt und treu gehalten wird. Sie alle sind hier, um Zeuge davon zu werden und an ihrer Freude teilzuhaben.
Doch bevor wir zum Hauptteil der Trauung übergehen, wird, äh, Ms Gloria Flowerdew eine kurze Lesung geben.«
Gloria setzt beinahe alle mit dem überwältigenden Mief ihres Patschuliöls außer Gefecht, als sie nach vorne läuft.
»Hallo, allerseits«, sagt sie und hält die Finger zum Friedenszeichen hoch. Dann trägt sie ein Gedicht vor.
Es klingt merkwürdig vertraut, aber ich komme einfach nicht darauf, wo ich das schon einmal gehört habe. Erst als sie zum Hauptteil des Textes kommt, wird mir klar, was sie da liest.
»Danke, Gloria«, sagt der Standesbeamte am Ende. »Die Lesung stammte aus, ähm, ›Baby Light My Fire‹ von den Türen.«
Vereinzeltes Kichern ist zu vernehmen.
»The Doors«, flüstere ich ihm zu. »Sie heißen The Doors.«
»Oh, ach so – The Doors«, verbessert er sich verlegen.
Der arme Mann sieht aus, als würde er schon sein Leben lang Leute miteinander vermählen. Aber garantiert hat er so etwas noch nie erlebt.
89
D RAUSSEN VOR DEM STANDESAMT scheint die Sonne, und alle sind bester Laune.
»Du siehst wirklich glücklich aus«, sage ich zärtlich zu meiner Mutter.
»Ich bin wirklich glücklich.« Sie sieht mich überrascht an, als ich ihr einen Kuss auf die Wange drücke.
»Wofür war der denn?«, fragt sie.
Ich zucke die Achseln. »Ich freue mich einfach nur für dich.«
Meine Güte, in letzter Zeit bin ich ganz schön rührselig geworden. Obwohl meine Mutter aussieht, als hätte sie einen Kostümverleih geplündert, hatte ich vorhin tatsächlich eine Träne im Auge, als sie und Bob sich das Jawort gaben. Was das soll, weiß ich auch nicht. Oder vielleicht doch.
Als die Gäste aus dem Trauungssaal strömen, finden wir uns in einem Blizzard aus Konfetti wieder, das – wie meine Mutter nicht müde wird zu beteuern – zu hundert Prozent biologisch abbaubar ist.
»Sie geben ein schönes Paar ab«, sagt Charlotte, die neben mir auftaucht.
»Das stimmt. Aber apropos schön, du wirst heute eine Menge Komplimente ernten. Du siehst einfach toll aus.«
»Danke, Evie«, grinst sie. »Ich hatte keine Ahnung, dass ich so aussehen kann. Ehrlich nicht.«
»Das hast du dir auch verdient, Charlotte«, stelle ich fest. »Du musst mehr Sit-ups gemacht haben als Schütze Benjamin.«
Nicht nur verbringt Charlotte inzwischen mehr Zeit im Fitnessstudio als zu Hause; innerhalb weniger Monate hat sie sich all das Wissen angeeignet, für das die meisten Frauen ihr ganzes Leben brauchen: wie man sich die Beine wachst, ohne eine Epiduralanästhesie zu brauchen. Wie man Lipliner aufträgt, ohne wie Boy George auszusehen. Wie man sich die Nägel an der rechten Hand lackiert, ohne den gesamten Arm zu bemalen. Heute findet all das seinen Höhepunkt. Sie sieht schlank und schön und – was mich am meisten verblüfft – selbstbewusst aus.
Ganze Menschenscharen drängen sich in der winzigen Einfahrt, und es wird deutlich, dass alle Beteiligten sich am besten nicht allzu lange hier aufhalten sollten.
»Mum«, ich nehme ihren Arm, »du musst noch deinen Brautstrauß werfen,
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