Bleib für immer!: Roman (German Edition)
wissen.
»O ja.«
»Jetzt hör mal«, entrüste ich mich. »Ich bin Journalistin, und früher oder später kriege ich es doch raus, verlass dich drauf. Also, wirst du ihn wiedersehen?«
Plötzlich verschwindet Charlottes Lächeln, und sie wirkt sehr ernst und sehr betrunken.
»Ich hoffe es. Ich hoffe es sehr. Aber offen gestanden, bin ich mir nicht so sicher.«
95
F RÜHER WAR PATRICK immer ein fröhlicher Betrunkener. Ein harmloser Betrunkener. Die Sorte von Mensch, die nach ein paar Gläschen am Freitagabend Albernheiten mit seinen Boxershorts macht und feuchte Küsse an seine männlichen Freunde verteilt. Niemals die Sorte, die unausstehlich wird. Seinem Benehmen vorhin nach zu urteilen, hat sich das eindeutig geändert.
Das ist der Grund, warum ich Jack und meine Mutter allein über Schlammlawinen in Guatemala und die Nahrungsmittelkrise in Malawi plaudern lasse (schön, dass sie passend zum fröhlichen Anlass weiterhin bei positiven Themen bleiben) und mich auf die Suche nach Grace mache. Ich finde sie im Gespräch mit Jim in der Nähe der Bar.
»Hey, ihr zwei«, begrüße ich sie munter. Sie sollen keinen Verdacht schöpfen, dass ich sie in ein tiefgründiges und bedeutungsvolles Gespräch verwickeln will. »Wie findet ihr die Band?«
»Fantastisch«, meint Jim. »Obwohl ich glaube, dass Valentina sie vorhin etwas aus dem Konzept gebracht hat, als sie fragte, ob sie auch was von Christina Aguilera können.«
»Jim«, sage ich, »ich hoffe, es ist nicht unhöflich, wenn ich Grace für ein paar Minuten entführe?«
»Aber nicht doch«, sagt er. »Ich wollte sowieso Charlotte dazu überreden, mit mir zu tanzen.«
Grace und ich suchen uns einen ruhigen Tisch weit weg von der Tanzfläche. Im Vorbeigehen fällt mir auf, dass Valentinas Tanzstil, der immer mit ausladenden Armbewegungen verbunden ist, heute Abend ein so auffälliges Wedeln mit den Händen zeigt, dass sie den Straßenverkehr damit regeln könnte.
»Was ist los?«, fragt Grace, als wir ein passendes Plätzchen gefunden haben.
»Das wollte ich dich gerade fragen.«
Doch bevor sie mir noch antworten kann, klingelt es in meiner Handtasche. Mir wird bewusst, dass ich Jacks Handy noch dabeihabe, das er mir vorhin zur Aufbewahrung gegeben hat. Unter normalen Umständen würde ich es ihm bringen, aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt. Also lehne ich den Anruf ab und stecke es wieder ein.
»Was meinst du denn?«, fragt sie.
»Ich will ja nicht neugierig sein oder so, aber mir ist aufgefallen, dass du und Patrick ein bisschen … wie soll ich sagen … neben euch steht.«
Sie beißt sich auf die Lippe und überlegt kurz.
»Es ist dir also aufgefallen.«
»Stimmt denn etwas nicht?«, frage ich weiter.
»Ja. Ja, ich glaube schon«, seufzt sie. »Aber es ist schwer zu sagen, was genau.«
Plötzlich klingelt wieder das Telefon. Ich wühle es aus der Tasche und drücke wieder auf ›Ablehnen‹. Dann nicke ich ihr aufmunternd zu.
»Es ist schwer zu sagen, weil es nichts Konkretes ist«, erzählt sie weiter. »Wir haben uns nicht über Geld gestritten oder über die Kinder oder was auch immer. Aber ständig gehen wir einander an die Gurgel. Alles, was ich sage, scheint Patrick zu kränken. Und er wirkt einfach niemals glücklich.«
»Hast du denn eine Ahnung, woher das kommen könnte?«, frage ich.
»Du meinst, ob er eine Affäre hat?« Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
»Nein!«, wehre ich hastig ab. »So habe ich das überhaupt nicht gemeint.«
»Nicht? Ich bin mir da nicht so sicher. Wirklich nicht so sicher.«
Manche Leute sehen, wenn sie weinen, aus wie im Film, eine einzelne Träne kullert ihnen malerisch über die Porzellanhaut.
Grace gehört, genau wie ich, nicht dazu.
Ihre Wangen haben die Farbe von Cornedbeef angenommen, ihre Augen sind fast so geschwollen wie meins, und ihre Nase ist so dunkelrot, als hätte sie sich allzu ausgiebig in ein billiges Papierhandtuch geschnäuzt.
»Patrick liebt dich, das weißt du«, sage ich. »Man musste doch nur sehen, wie er dich bei eurer Hochzeit angeschaut hat. Das kann sich doch nicht über Nacht so geändert haben.«
»Das möchte man meinen.« Sie schnieft in ihre Serviette. »Aber so fühlt es sich an.«
»Ich gehe mal davon aus, dass du versucht hast, mit ihm darüber zu sprechen?«
»Ja, schon. Also irgendwie.«
Ich ziehe die Brauen zusammen. »Das heißt also nein.«
»Ich wollte ihn wohl nicht direkt darauf ansprechen«, gibt sie zu.
»Das solltest du aber«, sage ich
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