Bleib nicht zum Frühstück
besondere Erschwernis erfuhr. Als sie neulich ihre Bedenken aussprach, hatte Jodie sie mit der Erklärung, seine Teamkameraden würden ihn rechtzeitig betrunken genug machen, hinweggefegt. Doch obgleich Jane sehen konnte, wie er ein Glas nach dem anderen durch seine Kehle rinnen ließ, hatte sie nicht unbedingt den Eindruck von Unzurechnungsfähigkeit.
Wieder mußte sie lügen, aber allmählich fiel es ihr – vielleicht aufgrund der Pillen – erstaunlich leicht. Es ging einfach darum, eine neue Realität zu erfinden, diese mit einigen passenden Details anzureichern und ihm, während sie sprach, möglichst die ganze Zeit über in die Augen zu sehen. »Wahrscheinlich gehören Sie noch der alten Schule an, Mr. Bonner, die glaubt, daß die Ausbildung von Frauen in meinem Berufszweig nur auf einem einzigen Weg erfolgt – aber das ist nicht mehr so. Ich zum Beispiel gehe nicht wahllos irgendwelche Geschlechtsbeziehungen ein.«
Sein Glas blieb in der Luft hängen. »Trotzdem bist du zu haben!«
»Das stimmt. Aber ich erwähnte ja bereits, daß Sie mein erster Kunde sind. Bisher war ich nur mit einem einzigen Mann intim. Meinem verstorbenen Ehemann. Ich bin Witwe. Eine sehr junge Witwe.«
Es sah nicht so aus, als kaufe er ihr auch nur einen Bruchteil ihrer Geschichte ab, so daß sie sie ein wenig auszuschmücken begann. »Nach dem Tod meines Mannes blieb ich mit furchtbaren Schulden zurück, und ich brauchte einen Job, bei dem man mehr als den Mindestlohn verdient.
Unglücklicherweise hatte ich, da ich keinen Beruf gelernt habe, auch keine große Wahl – doch dann fielen mir die zahlreichen Komplimente meines Mannes bezüglich des intimen Aspekts unserer Ehe ein. Bitte denken Sie nicht, ich wäre nicht qualifiziert, nur weil ich bisher eine einzige Beziehung hatte.«
»Vielleicht habe ich irgend etwas von deinen Mitteilungen überhört; aber wie kann jemand, der behauptet, daß er – wie war das? – bisher nur mit einem einzigen Partner intim gewesen ist, besonders qualifiziert sein?«
Damit hatte er ganz sicher recht, also fuhr sie beflissen fort: »Meine Einführung erfolgte über die Lehrvideos, die meine Agentur allen neuen Angestellten zur Verfügung stellt.«
»Du bist per Videos ausgebildet worden?« Er kniff die Augen zusammen, wodurch er sie an einen Jäger erinnerte, der über den Lauf seiner Flinte die Beute aufs Korn nahm.
»Interessant.«
Freude wallte in ihr auf, als ihr Kind noch ein paar weitere Punkte auf der Skala des offiziellen Intelligenztests verlor. Sicher hätte nicht einmal ein Computer einen passenderen Partner für sie auswählen können.
»Es sind keine gewöhnlichen Videos. Nichts, was man Minderjährigen vorführen würde. Aber die alten Methoden der Ausbildung vor Ort sind in der heutigen Zeit des sicheren Sex zumindest bei den anspruchsvolleren Agenturen nicht mehr gern gesehen.«
»Agenturen? Meinst du Bordelle oder was?«
Jedesmal, wenn sie eines dieser widerlichen Worte vernahm, versetzte es ihr einen Stich. »Die offiziell anerkannte Bezeichnung heißt ›Vergnügungsagentur‹.« Sie machte eine Pause. Ihr Kopf fühlte sich an, als ob er ihr jeden Augenblick von den Schultern fallen könnte. »Genau wie die korrekte Bezeichnung für Prostituierte Sexualvergnügungsbereiterinnen ist oder einfacher SVB.«
»SVB? Wenn man dich reden hört, könnte man meinen, du hättest ein Wörterbuch verschluckt.«
Es war seltsam, aber sein Akzent verstärkte sich von Minute zu Minute mehr. Sicher lag das am Alkohol. Gott sei Dank war er zu dämlich, um zu bemerken, in was für bizarren Bahnen ihr Gespräch verlief. »Wir sehen Vorführungen, und gelegentlich hält eine Gastrednerin einen Vortrag über ihr jeweiliges Spezialgebiet.«
»Wie zum Beispiel?«
Fieberhaft überlegte sie: »Hm… zum Beispiel Rollenspiel.«
»Was für eine Art von Rollenspiel?«
Ja, was für eine Art? Innerlich sah sie diverse Szenarien, und verzweifelt suchte sie nach einem, in dem es weder um körperliche Schmerzen noch um irgendeine Form von Erniedrigung ging. »Nun, wir haben zum Beispiel etwas, das heißt Aschenbrödel und der edle Prinz.«
»Was bedeutet…«
»… daß Rosen verwendet werden. Man liebt sich auf einem mit Rosen bestreuten Bett.«
»Klingt ein bißchen nach Poesiealbum. Gibt's nicht vielleicht was Deftigeres?«
Weshalb nur hatte sie Rollenspiele überhaupt erwähnt?
»Natürlich, aber da Sie, wie gesagt, mein erster Kunde sind, sollten wir vielleicht zunächst bei den
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