Bleib nicht zum Frühstück
Wasser bei Schluckauf; Rüben pflanzte man am sechsundzwanzigsten, siebenundzwanzigsten oder achtundzwanzigsten März, aber nicht später, denn sonst gediehen sie kümmerlich.
Auch wenn sie es für höchst unwahrscheinlich hielt, daß sie je eine dieser Informationen brauchen würde, merkte sie, daß sie sie aufsog wie ein Schwamm. Annies Ratschläge zeigten, wie man dem Leben von einer Generation zur nächsten eine gewisse Beständigkeit verlieh. Hier in den Bergen schienen die Menschen tief verwurzelt zu sein; und sie in ihrer Heimatlosigkeit empfand jeden von Annies Sätzen als Beweis für Geschichte und Tradition, für alles, was das Leben ihr vorenthalten hatte.
»… und wenn du Klöße machst, gib ein Ei und eine Prise Salbei an den Teig.« Sie fing an zu husten, und Jane bedachte sie mit einem sorgenvollen Blick. Als sie sich erholte, winkte sie mit der Hand, wodurch ihr kirschroter Nagellack zur Geltung kam. »Und du hörst mir die ganze Zeit brav zu. Ein Wunder, daß du nicht schon längst gesagt hast, ›Annie, halt die Klappe, allmählich fallen mir von deinem Geschwätz die Ohren ab‹.«
»Ich höre dir wirklich gerne zu.«
»Du bist ein gutes Mädchen, Janie Bonner. Es überrascht mich, daß Calvin dich geheiratet hat.«
Jane lachte fröhlich auf. Annie Glide war eine ungewöhnliche Person. Als einzigen Teil ihrer Großeltern hatte Jane die egozentrische, engstirnige Mutter ihres Vaters gekannt.
»Mir fehlt mein Garten. Vor ein paar Wochen hat mir dieser nutzlose Herumtreiber Joey Neeson die Erde umgepflügt, obwohl es mir gegen den Strich geht, wenn Fremde hier herumlungern. Calvin schickt mir immer irgendwelche Strolche, wenn es was zu reparieren gibt – aber ich lasse sie gar nicht erst ins Haus. Es ist mir unerträglich, wenn sich meine Familie in meine Angelegenheiten mischt, und ungebetene Gäste können sofort wieder Leine ziehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dieses Frühjahr wollte ich wieder kräftig genug sein, um meinen Garten selbst zu bepflanzen, aber da habe ich mich offenbar getäuscht. Ethan hat gesagt, daß er mir helfen würde, aber der arme Junge hat soviel mit seiner Kirche zu tun, daß ich gesagt habe, so ein Schwächling wie er soll nicht mein Gemüse pflanzen.«
Sie sah Jane mit ihren wachen, blauen Augen an. »Sicher wird mir mein Garten fehlen, aber bevor irgendein Landstreicher für mich arbeitet, lasse ich es lieber sein.«
Jane durchschaute sie sofort, aber statt Verärgerung empfand sie ein eigenartig schmeichelhaftes Gefühl der Zugehörigkeit. »Ich helfe dir gern, wenn du mir zeigst, was zu machen ist.«
Annie legte ihre Hände aufs Herz. »Das würdest du wirklich für mich tun?«
Jane lachte über die gespielte Rührung der alten Frau.
»Es wäre mir ein Vergnügen. Selber habe ich nie einen Garten gehabt.«
»Tja, nun, das ist gut. Sag Calvin, daß er dich gleich morgen früh zu mir rüberfahren soll. Für die Kartoffeln wird es höchste Zeit. Eigentlich ist es schon zu spät – ich pflanze sie am liebsten Ende Februar, möglichst bei Mondfinsternis –, aber wenn wir sie sofort in die Erde bringen, werden sie vielleicht trotzdem noch was. Dann setzen wir die Zwiebeln und hinterher kommen die Rüben dran.«
»Klingt toll.« Sie nahm an, daß die alte Dame nicht vernünftig aß, und so stand sie auf. »Wie wäre es, wenn ich uns doch eine Kleinigkeit zum Mittagessen mache? Der Spaziergang hat mich wirklich hungrig gemacht.«
»Eine fabelhafte Idee! Amber Lynn ist von ihrer Reise zurück, und sie hat mir gestern ein bißchen Bohnensuppe vorbeigebracht. Mach sie einfach heiß. Natürlich hält sie sich nicht an das Rezept, das ich ihr beigebracht habe, aber so ist Amber Lynn nun mal.«
Also waren Cals Eltern wieder in der Stadt. Während Jane in die Küche ging, überlegte sie, unter welchen Vorwänden er wohl die Begegnung mit der neuen Schwiegertochter hinauszögerte.
Jane füllte die Suppe auf einen Porzellan- und einen Plastikteller und legte Scheiben frischen Vollkornbrots aus dem Korb auf dem Küchentisch dazu. Sie aßen gleich dort, und Jane konnte sich nicht daran erinnern, je zuvor ein so fröhliches Mahl eingenommen zu haben. Nach zwei Wochen der Einsamkeit genoß sie es, mit einem Menschen zusammenzusein, der sie nicht nur anbrüllte und mit bösen Blicken maß.
Sie räumte die Teller fort und brachte Annie einen Becher Tee ins Wohnzimmer, als sie mit einem Mal in dem Durcheinander von Gemälden, Keramikballerinas und Wanduhren neben der
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