Bleib nicht zum Frühstück
gestürzt, ihm die Schärfe aus den Augen gekratzt, die Schädeldecke gespalten und sein Hirn herausgezerrt. Weshalb war er nicht dumm? Schließlich las er Comic-Hefte! Wie konnte er sich derart verstellen?
Während sie mühsam um die letzten Reste ihrer Selbstbeherrschung rang, erkannte sie, daß sie fort mußte, ehe es vollends um sie geschehen war. Mit einem wütenden Aufschrei wirbelte sie herum, rannte in die Küche und stürzte aus der klappernden Hintertür.
Während sie rannte, wurde hinter ihr zorniges Brüllen laut. »Du kommst sofort zurück! Wenn ich dir nachlaufen muß, wird es dir leid tun, das schwöre ich!«
Am liebsten hätte sie um sich geschlagen. Am liebsten hätte sie sich in ein tiefes Loch geworfen und gewartet, daß jemand sie unter der dunklen Wintererde begrub. Sie mußte irgend etwas tun gegen den Schmerz, der sie von innen auffraß. Dieses arme Baby, das sie bereits mehr liebte als alles andere, würde doch zu den Hochbegabten gehören!
Sie hörte nicht, daß er ihr folgte, und rang erschreckt nach Luft, als er sie packte und zum Stehenbleiben zwang.
»Ich habe dir gesagt, daß du stehenbleiben sollst!« schnauzte er sie an.
»Du hast alles kaputtgemacht!« brüllte sie zurück.
»Ich?« Sein Gesicht war kreidebleich vor Zorn. »Du verdammte Lügnerin! Du bist eine alte Frau! Eine gottverdammte Greisin!«
»Das verzeihe ich dir nie\u171? Sei ballte die Hand zur Faust und trommelte so hart gegen seine Brust, daß es sie bis in die eigenen Schultern schmerzte.
Außer sich vor Zorn, packte er ihre Arme; aber sie befand sich in einem Zustand, in dem sie einzig auf Rache sann, und so setzte sie sich vehement zur Wehr. Dieser Mann hatte ihrem ungeborenen Kind ein Leid getan, und sie, die nie zuvor einem Menschen gegenüber gewalttätig geworden war, dürstete nach seinem Blut.
Sie schlug um sich wie eine Furie. Ihre Brille flog davon, doch es war ihr egal. Sie trat und kratzte und versetzte ihm so heftige Hiebe, wie es nur ging.
»Hör sofort auf! Hör auf!« Sein Bellen drang bis in die Baumwipfel. Abermals versuchte er, sie zum Stillstehen zu zwingen, aber sie vergrub ihre Zähne in seinem Oberarm.
»Aua!« Empört rollte er mit den Augen. »Das tut weh, verdammt!«
Die Gewalt beflügelte sie. Sie hob das Knie, um es ihm zwischen die Beine zu rammen, und merkte, wie er ihre Füße vom Boden riß. »O nein, das läßt du bleiben…«
Er stürzte mit ihr zu Boden, rang mit ihr und warf sie schließlich unter sich.
Der Kampf hatte ihr alle Kraft geraubt; er dagegen war ein Mann, der berufsmäßig Schläge einsteckte, und so keuchte er nicht einmal. Allerdings tobte er vor Wut, was er sie deutlich spüren ließ.
»Jetzt gibst du Ruhe, verstanden? Führ dich nicht auf wie eine Wahnsinnige! Ach was, du bist wahnsinnig! Du hast mich belogen, betrogen, und jetzt versuchst du auch noch, mich umzubringen, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß dein Verhalten dem Baby sicher schadet. Ich schwöre bei Gott, wenn du so weitermachst, bringe ich dich ins Irrenhaus, wo man dir erst mal eine Beruhigungsspritze verpaßt.«
Auch wenn sie nicht wollte, daß er ihre Erschütterung bemerkte, stiegen hinter ihren Augen abermals heiße Tränen auf. »Du hast alles kaputtgemacht.«
»Wie bitte?« Vor lauter Empörung sprühten seine Augen Funken. »Ich bin ja wohl kaum derjenige, der sich aufführt, als wäre er vollkommen übergeschnappt. Und ebensowenig bin ich derjenige, der aller Welt erzählt, er wäre verdammte achtundzwanzig Jahre alt!«
»Das habe ich nie gesagt, und fluch nicht in meiner Gegenwart!«
»Du bist vierunddreißig! Vierunddreißig! Hast du die Absicht gehabt, mir gegenüber je zu erwähnen, wie alt du wirklich bist?«
»Wann hätte ich es denn erwähnen sollen? Hätte ich es dir sagen sollen, als du mich in meinem Klassenzimmer überfallen oder mich am Telephon niedergeschrien hast?
Wie wäre es mit dem Augenblick, als ich von dir ins Flugzeug geschubst wurde? Oder vielleicht hätte ich es dich wissen lassen sollen, nachdem du mich in dein Haus einsperrtest? Hätte dir der Augenblick gepaßt?«
»Versuch nicht, dich rauszureden! Du wußtest, wie wichtig dein Alter für mich ist, und du hast mich bewußt in die Irre geführt.«
»Bewußt? Das ist ein starkes Wort für einen blöden Witz.
Außerdem, findest du es etwa besonders nett, den trotteligen Hinterwäldler zu spielen und alle Welt glauben zu machen, du wärst ein Idiot? Ist das deine Vorstellung von
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