Bleib ungezaehmt mein Herz
Frau. Judith fing seinen Blick auf und lächelte ihm zu, und Sedgewick fühlte ein heftiges Prickeln der Erregung. Marcus konnte sich wirklich glücklich schätzen; andererseits war eine solche Frau sicher sehr anspruchsvoll und schwierig. Seine Lordschaft überlegte leicht verunsichert, ob er wohl einer solchen Aufgabe gewachsen wäre. Er dachte an seine eigene Frau, eine Matrone von trägem Temperament und mit wenig Interesse an Schlafzimmerangelegenheiten, die über das notwendige Maß zur Sicherung der Nachkommenschaft hinausgingen. Lady Carrington andererseits vermittelte den Eindruck einer Frau, die recht feurig mitspielen würde...
Sedgewick zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder den Karten zuzuwenden. Es gehörte sich nicht, auf diese Weise an die Ehefrau eines anderen Mannes zu denken. Aber sie war unglaublich attraktiv... und dann dieses spitzbübische Lächeln, bei dem sich nur ihre Mundwinkel leicht verzogen...
Sebastian blickte ab und zu von seinen Karten auf, um sich an der lebhaften Unterhaltung am Tisch zu beteiligen. Judith war nicht die einzige Frau, die am Tisch stand und das Spiel beobachtete, sie war jedoch die einzige, die ihren Fächer betätigte. Aber es war wiederum eine so normale Aktivität, daß nur Sebastian richtig Notiz davon nahm.
Gracemere verlor innerhalb einer halben Stunde dreihundert Guineas an die Bank. Es kam ihm nicht verdächtig vor, daß jedesmal, wenn er glaubte, mit seinem Blatt zu gewinnen, Davenport ein noch besseres Blatt hatte und seine Karten aufdeckte, bevor der Earl soweit war, seine aufzudecken. Sebastian war nicht immer der Gewinner in der Runde, doch Gracemere war immer der Verlierer. Er gab einer Pechsträhne die Schuld.
Judith verließ das Kartenzimmer. Sie und Sebastian hatten nur geübt. Sie hatten seit Brüssel nicht mehr in der Öffentlichkeit geübt, und beide mußten sehen, wie sie mit Gracemere fertig werden konnten. Der Schlußakt näherte sich rasch.
»Judith?«
Harriets sanfte Stimme unterbrach Judiths Überlegungen.
»Oh, guten Abend, Harriet. Ich habe Sie bisher noch gar nicht gesehen.« Sie zog den Arm des Mädchens durch ihren. »Kommen Sie, wir setzen uns ans Fenster, hier drinnen ist es so heiß. Sie sind spät gekommen. Sebastian hat schon nach Ihnen Ausschau gehalten.«
»Lady Barret konnte nicht eher kommen. Sie hat mich erst kurz nach elf abgeholt«, gestand Harriet. »Und Mama fühlt sich nicht wohl.« Eine zarte Röte kroch in ihre Wangen. »Ich sehe Ihren Bruder nirgendwo. Ich dachte, vielleicht ist er schon gegangen.«
Judith kicherte. »Er würde niemals gehen, wenn er damit rechnete, Sie hier zu treffen. Er ist im Kartenzimmer.«
Harriet nahm die Information schweigend auf. Sie schlug die Augen nieder, während sie mit den seidenen Fransen an ihrem Pompadour spielte. Judith erkundigte sich freundlich, ob sie etwas bedrückte.
Ohne aufzublicken, erwiderte Harriet leise: »M-manchmal denke ich... manchmal denke ich, daß Ihr Bruder zuviel spielt.«
Judith nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe. Harriet war wesentlich aufmerksamer, als sie, Judith, angenommen hatte. »Es macht ihm Spaß«, erklärte sie in neutralem Tonfall. »Aber ich kann Ihnen mit absoluter Gewißheit versprechen, daß Sebastian niemals Ihr Glück - und damit auch sein eigenes - durch leichtsinniges Spiel zerstören würde.«
Harriet seufzte erleichtert auf und blickte Judith an, ihr Gesicht strahlte, ihre klaren Augen glänzten. »Glauben Sie das, Judith? Ich hatte schon solche Angst, daß er ein richtiger Glücksspieler ist.«
»O ja«, erwiderte Judith und legte ihre Hand auf Harriets. »Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Das bedeutet allerdings nicht, daß er kein Glücksspieler ist«, fügte sie gerechterweise hinzu. »Aber wenn er von den Spieltischen weg ist, wird er sie nicht vermissen.«
»Geheimnisse... tauschen Sie vielleicht Geheimnisse aus?« Agnes Barrets vorgetäuscht fröhliche Stimme ertönte hinter ihnen.
»Guten Abend, Lady Barret«, sagte Judith, unfähig, die eisige Kälte in ihrer Stimme zu verbergen. »Nein, ich glaube nicht, daß Harriet und ich Geheimnisse miteinander haben.«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, fügte Harriet errötend und sichtlich verlegen hinzu.
Lady Barrets Blick ruhte einen Moment lang auf ihr, und um ihre Mundwinkel spielte ein leicht verächtliches Lächeln, bevor sie sich zu Judith umwandte, die Agnes' kühlen, berechnenden Blick mit genau dem gleichen Ausdruck beantwortete. Die Feindschaft zwischen
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