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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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zum Berkeley Square zurück. Aus welchen Gründen auch immer sich Judith ursprünglich mit Gracemere eingelassen hatte, sie war offensichtlich durchaus in der Lage, sich aus einer prekären Lage selbst zu befreien. Nach dem halbvollen Weinglas zu urteilen, war sie in aller Eile gegangen, und sie mußte eine ziemliche Szene gemacht haben, wenn ihr mutmaßlicher Gastgeber hoffte, sie würde nicht zurückkehren.
    Aber warum zum Teufel hatte sie sich überhaupt mit Gracemere getroffen? Hatte sie ihrem Ehemann nur aus Prinzip trotzen wollen? Aber das ergab keinen Sinn - sie hatten die Sache freundschaftlich beigelegt, soweit Marcus sich erinnerte. Judith hatte sich bereit erklärt, sich seinen Wünschen zu fügen, wenn er dafür seine diktatorische Art mäßigte. Warum sollte sie dann darauf bestehen, eine solche Bekanntschaft zu pflegen? Nein, es war weitaus mehr als das. Bekannte speisten nicht in traulichem Tete-a-tete. Also, warum dann?
    Die alte Schlange des Mißtrauens erwachte züngelnd und zischend in seinem Innern, und Marcus fühlte sich kalt und elend. Kannte er Judith überhaupt? Hatte er sie jemals richtig gekannt? Hatte sie sich mit Gracemere zusammengetan, um ihn zu verletzen? Aber wenn dem so war, warum hatte sie dann ihren Dinnergefährten gegen dessen Willen verlassen? Vielleicht hatte sie nicht mit einem Verführungsversuch gerechnet. Sollte seine Frau so naiv gewesen sein, eine Einladung zu einem heimlichen Dinner für vollkommen unschuldig und harmlos zu halten? Unmöglich.
    Judith war ganz und gar nicht naiv, sie war viel zu weltklug, um auf einen solchen Vorwand hereinzufallen. Aber vielleicht hatte Gracemere sie in dem Glauben gelassen, diese Einladung sei anders - kein intimes Essen zu zweit, sondern in Gesellschaft anderer, die sie kannte. Und als sie die Wahrheit herausgefunden hatte... diese Erklärung klang einleuchtender, und Marcus fühlte sich schon wieder ein wenig getröstet. Aber dann fiel ihm die Lüge ein, die sie ihm am Morgen aufgetischt hatte - eine Party mit ihren Freundinnen. Die Schlange zischte, und ein bitterscharfer Geschmack von Verlogenheit und Betrug erfüllte seinen Mund.
    Judith stand am Fenster ihres Zimmers und schaute auf den Platz hinunter, als Marcus in Sichtweite des Hauses kam. Sie hatte auf ihn gewartet, wohl wissend, was sie zu tun hatte. Sie hatte gewußt, daß Gracemere einen Mann mit Betrügereien und Lügen ruinieren konnte. Sie wußte, er war auch dazu fähig, mit der Verlobten eines anderen Mannes davonzulaufen. Aber an diesem Abend hatte sich ein Abgrund von Schlechtigkeit vor ihr aufgetan, der alles übertraf, was sie bisher von ihm wußte. Ein heimliches Rendezvous war eine Sache, aber einen solchen Ort auszusuchen für die Art von Frau, die Judith seiner Meinung nach war, war die Krönung der Bösartigkeit. Irgendwie sollte Marcus durch Gracemeres Machenschaften verletzt und gedemütigt werden, und Marcus' Ehefrau war nur das Werkzeug dafür gewesen. Davon war Judith jetzt überzeugt. Ob Marcus mit der Information über das Rendezvous seiner Frau konfrontiert werden sollte? Konfrontiert und gedemütigt? Vielleicht sollte die Geschichte sogar öffentlich verbreitet werden.
    Judith stand am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie fühlte sich immer noch schwach und etwas zittrig nach dem heftigen Erbrechen, wußte aber, daß sie Gracemeres Verführung ebensogut hätte nachgeben können, wenn sie ihn an der Ausführung seines Plans nicht hindern konnte. Falls er einen öffentlichen Skandal be-zweckte, wäre die schlichte Tatsache ihrer Bereitwilligkeit, sich mit dem Earl an einem solchen Ort zu treffen, schon Anlaß genug.
    Sie würde Marcus alles erzählen müssen. Wenn er die Geschichte aus ihrem Mund erfuhr, wäre er vorgewarnt und könnte sich wappnen. Der Gedanke an das, was sie mit einem solchen Schritt riskierte, erfüllte sie mit Schrecken.
    Marcus verschwand aus ihrem Blickfeld, als er die Treppe unterhalb des Fensters hinaufstieg.
    Judith trat in den Flur und ging zum obersten Treppenabsatz, als Marcus ins Haus kam, dann eilte sie leichtfüßig die Stufen herab auf ihn zu.
    »Marcus, ich muß mit dir sprechen.«
    Er blickte auf, und trotz der Bitterkeit in seinem Innern betrachtete er ängstlich forschend ihr Gesicht. Sie war blaß und angespannt, aber davon abgesehen schien es ihr gutzugehen, soweit er es beurteilen konnte.
    »Hast du einen schönen Abend verlebt?« fragte er, als er Gregson seinen Überzieher und seine Handschuhe

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