Bleib ungezaehmt mein Herz
es uns beibringen?«
Cornelia beugte sich gespannt vor, und der spindelbeinige Stuhl kippte unter ihrem Gewicht gefährlich nach vorne. Auch der Beistelltisch wackelte bedrohlich, als sie sich haltsuchend daran festklammerte.
Judith streckte automatisch eine Hand aus, um den Tisch festzuhalten. »Ihr wollt, daß ich ernsthafte Spieler aus euch mache?« Ihre Stimme vibrierte vor Lachen, als sie sich diese amüsante Vorstellung durch den Kopf gehen ließ und ihre drei Freundinnen der Reihe nach betrachtete.
»Es ist eine erstklassige Idee«, meinte Isobel nach einem Schluck Ratafia. »Wir haben alle Geldprobleme. Sally wegen Jeremy, und Cornelia muß den Lebensunterhalt ihrer Mutter aus eigenen Mitteln mitfinanzieren. Und was mich betrifft...« Ihre Lippen verzogen sich, und ein Schatten von Widerwillen glitt über ihr Gesicht. »Henley teilt mir Geld zu, als würde er mir eine Riesengnade erweisen, und auch das nur, nachdem ich ihn mindestens dreimal artig darum gebeten habe. Ich schiebe meine Bitte um Geld immer so lange wie möglich hinaus, weil es so ein peinlicher Vorgang ist.«
»Ich könnte euch Verschiedenes beibringen«, überlegte Judith laut. »Die Technik mit den Karten... Wettstrategien ... solche Dinge eben. Aber man muß schon Mut haben und eine gewisse natürliche Begabung, um wirklich erfolgreich zu sein.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich weniger talentiert bin als Jeremy«, meinte Sally mit unterdrücktem Kichern. »Er spielt immer nur Hasard, und wie kann man denn schon mit Würfeln gewinnen?«
»Man kann es nicht«, erklärte Judith. »Zumindest kann man sich nicht darauf verlassen. Dazu sind Würfelspiele zu unsicher. Makao, Piquet, Quinze - obwohl die Einsätze dabei oft nicht hoch genug sind, um wirklich zufriedenstellend zu sein - sind die einzigen Spiele, die man weniger zur reinen Unterhaltung spielt, sondern eher, um Geld zu gewinnen.«
»Ich glaube nicht, daß ich mutig genug bin, um in eine Spielhölle zu gehen«, fuhr Sally gedankenverloren fort. »Wenn Jack dahinterkäme...« Sie schauderte. »Er würde mich für alle Zeit mit den Kindern aufs Land verbannen.« Sie blickte ihre Schwägerin über den Rand ihres Sherryglases hinweg an. »Marcus würde es für die einzig vernünftige Entscheidung halten.«
»Und Jack befolgt immer die Ratschläge seines älteren Bruders«, fügte Judith trocken hinzu. »Marcus hat nun mal diese Wirkung auf seine nächsten Anverwandten.«
»Was ist passiert, als er dir die Rubine gab ? Ich habe ganz vergessen, danach zu fragen. Ich war so erleichtert, als ich sie Jack aushändigte, daß ich dachte, am liebsten würde ich sie nie wieder zu Gesicht bekommen.«
Judith kicherte. »Oh, ich habe mich natürlich sehr erstaunt und entzückt über ein so prachtvolles Erbstück gezeigt und Marcus anschließend erklärt, die Steine paßten eigentlich viel besser zu deinen Farben statt zu meinen, deshalb sollte er sie dir lieber zurückgeben.«
»O nein, Judith, das hast du nicht getan!« rief Sally, und ihre Augen weiteten sich, als die anderen zu lachen anfingen.
»Doch, das habe ich«, widersprach Judith ebenfalls lachend. »Ich fand es einen raffinierten Zug.« Sie zuckte mit den Achseln. »Er hat sich allerdings geweigert«, fügte sie hinzu. »Es wäre nicht angemessen oder etwas in der Art.«
»Wir müssen doch nicht in Spielhöllen spielen, um Geld zu machen, oder?« Isobel griff das ursprüngliche Thema wieder auf.
»Nein«, gab Judith zu. »Man kann auch an den Tischen mit hohen Einsätzen bei Bällen und Soireen einiges gewinnen. Trotzdem finde ich es ungerecht, daß Frauen nicht bei White's oder Watier's oder Brook's spielen dürfen«, knurrte sie. »Wußtet ihr, daß die Wetten im Nonesuch fast immer bei fünfzig Guineas anfangen?« In ihrer Stimme schwang ein sehnsüchtiger Unterton mit.
»Du bringst es uns also bei?« wollte Cornelia wissen.
»Und ob«, erwiderte Judith. »Mit dem größten Vergnügen. Wir werden eine Schule für Spieler haben.« Sie füllte ihr Glas nach. »Darauf einen Toast, meine Lieben: auf die finanziell unabhängige Frau!«
Lautes Gelächter. In dem Moment ging die Tür auf.
»Oh, Judith. Ich bitte um Entschuldigung.« Charlie stand zögernd auf der Türschwelle. »Ich wollte nicht stören.«
Judith sah seinen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck, die weißen Linien um seine Lippen und streckte ihm augenblicklich einladend die Hand entgegen. »Nein, du störst überhaupt nicht, Charlie. Komm herein. Du
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